S-Bahn auf dem Land (Artikel aus der Schweiz)

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Bm235

S-Bahn auf dem Land (Artikel aus der Schweiz)

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S-Bahn auf dem Land
Die S-Bahn St. Gallen (III): Der Blick zu den deutschen Nachbarn führt zu einem Verkehrskonzept mit Vorbildcharakter

ST. GALLEN. Drei Kreise, eine Rundreise: Ein Nahverkehrsprojekt in Baden-Württemberg zeigt interessante Parallelen zum S-Bahn-Ausbau im Kanton St. Gallen.

CHRISTOPH ZWEILI

Die Trossinger Eisenbahn, 1898 eröffnet, war eine der ersten elektrischen Eisenbahnen in Baden-Württemberg. In den Neunzigerjahren war das von der Stadt an der Uhrenstrasse betriebene «Bähnle» von der Schliessung bedroht: 1987 wurden der Sonntagsbetrieb, 1996 der Güterverkehr und 2003 der planmässige Betrieb eingestellt.

Die Rettung kam mit der 1996 lancierten Idee, eine S-Bahn auf dem Land zu schaffen, die Immendingen mit Tuttlingen und Rottweil über Donaueschingen verbindet. Der Zug fährt über sieben Eisenbahnstrecken fast im Kreis. Vertreter der Landkreise Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwald-Baar setzten sich an einen Tisch. Um die Ringbahn aufs Gleis zu bringen, steuerte das Land Baden-Württemberg einen zweistelligen Millionenbetrag bei.

Seit 2003 sind die drei Landkreise mit ihren Zentren Villingen-Schwenningen, Rottweil, Tuttlingen und Donaueschingen nun Bestandteil eines 200 Kilometer langen grossstädtischen Ringbahn-Streckennetzes, das die ländlichen Siedlungsgebiete anbindet. Auf den mit moderner Sicherheitstechnik ausgestatteten Strecken verkehren täglich 20 Triebwagen der Hohenzollerischen Landesbahn weitgehend im Stundentakt.
Mit Fernverkehr verknüpft

Die Ringbahn ist auch mit dem Fernverkehr verknüpft: Der Intercity auf der Schwarzwaldbahn nach Konstanz, Kassel und Hamburg, Intercity-Express und Cisalpino auf der Gäubahn nach Stuttgart und Zürich und die Regionalexpress-Züge nach Karlsruhe, Neustadt und Ulm sind an den grossen Bahnhöfen mit der Ringbahn verbunden. Seit 2006 besteht auch Anschluss an die «neue Schwarzwaldbahn» nach Konstanz, Karlsruhe und darüber hinaus. Ein durchdachtes Buszubringersystem sichert die Feinerschliessung der Gemeinden.
Drei unter einem Hut

Ohne Schwierigkeiten ging die Einführung der Ringbahn aber nicht. Zwar erlaubte die Regionalisierung des Schienen-Personennahverkehrs 1996 den Gebietskörperschaften, ihren Schienennahverkehr selber zu gestalten, ohne ausschliesslich auf das Angebot der Deutschen Bahn angewiesen zu sein. Es fehlte aber ein einheitliches Tarifsystem für die gesamte Region. Dazu waren drei verschiedene Verkehrsverbünde unter einen Hut zu bringen. Heute sind Abos, Wochen- und Monatskarten auf einer Linie in allen durchfahrenen Zonen auch für Fahrten zu anderen Zielen gültig.

Der Erfolg mit der Ringbahn lässt sich in Zahlen messen: Die Passagierzahlen stiegen seit 2000 auf 12 000 pro Werktag (rund 8,9 Millionen pro Jahr). «Dank dieser sehr guten Entwicklung fällt unser jährliches Betriebsdefizit deutlich geringer aus als erwartet», sagt Rainer Kaufmann, Geschäftsführer Zweckverband Ringzug in Villingen-Schwenningen.

Im März 2006 wurde die Ringbahn mit dem Fahrgastpreis 2006 des Verbandes Pro Bahn ausgezeichnet. Mit der jährlich vergebenen Anerkennung werden bundesweit besonders kundenfreundliche oder innovative Nahverkehrsprojekte prämiert. Pro Bahn lobt die Ringbahn «als erstklassiges S-Bahn-System auf dem Lande, das deutschlandweit einmalig ist».
Mit dem Auto kaum schneller

Und was meinen die S-Bahn-Planer zu einem Ringbahnsystem um den Ringkanton St. Gallen? «Eine bestechende Idee», findet Andreas Bieniok, Leiter des kantonalen Amtes für öffentlichen Verkehr. «Eine Linienführung um den Kanton würde die 460 000 Einwohner des Kantons einander und den Nachbarn näher bringen.» Mit heute insgesamt 21 Millionen Passagieren pro Jahr im Regionalverkehr der Bahnen, einer Ringbahnlänge von rund 180 Kilometern mit drei Stunden Fahrzeit und einem vernetzten Bussystem mit heute insgesamt 35 Millionen Fahrgästen pro Jahr weise der Kanton St. Gallen interessante Parallelen «auf deutlich höherem Nachfrageniveau» auf. «Verschiedene dezentrale Einrichtungen des Kantons könnten so optimal vernetzt werden.»

Im topografisch schwierigen Kanton könnte eine Ringbahn mit je einer Stunde Fahrzeit und rund einem Dutzend Zwischenhalten zwischen den Stundenknoten Wattwil, Rorschach und Sargans Reisegeschwindigkeiten von 50 bis 65 Stundenkilometern erreichen. «Mit dem Auto wäre man von Bahnhof zu Bahnhof kaum schneller», sagt Bieniok. «Das wäre eine echte Schnellbahn, die zudem allen Regionen des Kantons optimale Anschlüsse an den nationalen und internationalen Fernverkehr bringen würde.»
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