Gäubahn-Spitzengespräch in Berlin

Alles zur Strecke Stuttgart - Singen kann hier rein.
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Gäubahn-Spitzengespräch in Berlin

Beitrag von Vielfahrer »

Heute war eine Delegation der baden-württembergischen Landesregierung (u.a. Minister Hermann, Minister Wolf, Leiter der Abteilung Verkehr Gerd Hickmann) bei Staatssekretär Odenwald im Verkehrsministerium im Berlin. Berichten des SWR zufolge will der Bund die Gäubahn für Neigetechnikzüge ausbauen, es müsse jedoch zuvor ein Betreiber gefunden werden. Sowohl die baden-württembergische Landesregierung als auch das Schweizer Bundesamt für Verkehr in Bern setzt auf die SBB und man will den Druck entsprechend erhöhen. Die DB-Fernverkehr AG hat mehrfach erklärt, dass sie im Interimsfahrplan, der bei ihr Integrationsfahrplan genannt wird, eine dauerhafte gute Lösung sieht und definitiv keine Neigetechnik mehr auf der Gäubahn selbst einsetzen wird.

Gestern war ich übrigens im Lindauer Hbf, wo es eine recht interessante Informationsveranstaltung zum Fahrplankonzept im Raum Lindau (Inselbahnhof), Lindau-Reutin, Bregenz gab. Sowohl die Vorarlberger Verkehrsplanung (Frau Mannhard), die BEG (Andreas Schulz) und die NVBW (Martin Hilger) waren vertreten und erläuterten ihre Perspektive. Zuvor informierte Michael Katz von DB Netz über aktuelle Entwicklungen beim Ausbau des Bahnknotens Lindau, dann erläuterte Armin Franzke die aktuellen Entwicklungen bezüglich der ABS 48 München - Geltendorf - Lindau, eher Florian Liese über das Infobüro in Lindau Hbf referierte. Dieses ist an jedem 1. und 3. Donnerstag im Monat geöffnet von 15 - 19 Uhr und man kann sich sehr gut informieren, was alles in Lindau geplant ist. Etwa 20 Interessierte kommen im Schnitt pro Öffnungstag, darunter Einheimische, Touristen usw. Erstaunlich war (oder nicht erstaunlich), dass es nur höchst selten nach den Ausführungen von Herrn Liese freche oder arrogante Besucher gibt. Fast alle wollen einfach aus erster Hand informiert werden. Teilweise wird von den Besuchern auch gesagt, dass sie sich freuen, dass es endlich los ginge.

Erläutert wurden die terminlichen Vorstellungen zur Fertigstellung der Maßnahmen. Das wird im Dezember 2020 der Fall sein (Inbetriebnahme), etwa 6 Monte zuvor erfolgt die Fertigstellung der Elektrifizierung und der Bahnsteige. Die Zeit zwischen Fertigstellung und Inbetriebnahme wird für die sog. Hochtastfahrten der Neigetechnikzüge benötigt. Diese fahren ca. 40 km/h schneller als die konventionellen Züge.

Sehr ausführlich wurden die Fahrpläne diskutiert und mit ihrem Für und Wider vorgestellt. Es wäre aber an dieser Stelle zu lange, auf die vielen interessanten Aspekte einzugehen, zumal am gestrigen Abend die Relationen von Wien, Innsbruck, Zürich, Basel, Würzburg, München angesprochen wurden, aber auch die Nahverkehrshalte etwa in Nonnenhorn, Wasserburg, Langenargen oder Kresßbronn. Auch über Zech wurde lange und intensiv diskutiert. Zech ist Bestandteil der Stationsoffensive der DB in Bayern, wie übrigens auch die 5 Halte zwischen Lindau Hbf und Hergatz, die vsl. 2021 eröffnet werden. Sie zählen aber weder zum Paket Lindau Hbf / Reutin noch zur Elektrifizierung der Allgäubahn.

Als sehr erfreulich wurde bezeichnet, dass es zukünftig auf der Allgäubahn wieder einen Stundentakt mit RE über Hergatz - Wangen - Kißlegg-Leukirch - Aichstetten - Marstetten-Aitrach - Tannheim nach Memmingen geben wird. In der EC-Stunde fährt der RE nach Augsburg, in der anderen Stunde als sehr schneller RE ab Memmingen nach München (praktisch Neigetechnik-Zeiten und Halte), so dass Memmingen stündlich in ca. 1 Stunde mit München verbunden ist.

Interessant war, dass die ETR 610 der SBB eingesetzt werden sollen. Das ist zwar wohl noch nicht definitiv, aber sehr realistisch. Die DB und SBB wollen aber keinen 2-Stunden-Takt zwischen Zürich und München anbieten sondern zwei Fahrplanlöcher lassen (4-h-Lücke), weil sie eigenwirtschaftlich anbieten. Bis St. Gallen fährt die SBB ab Basel über Zürich im Stundentakt. Die freie Trasse zwischen St. Gallen und Lindau soll eventuell mit einer Regionalbahn belegt werden. Vorarlberg prüft die Machbarkeit, zumal ab Bregenz ja auch 3 Züge pro Stunde schon nach Lindau fahren.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: Gäubahn-Spitzengespräch in Berlin

Beitrag von Vielfahrer »

Hier noch die Pressemitteilung des Verkehrsministeriums über das Gespräch vom 31.03.17 in Berlin
Bund und Land wollen Ausbau der Gäubahn zügig vorantreiben

Minister Hermann zu Gesprächen beim Bundesverkehrsministerium – Fragen des zukünftigen Betreiberkonzeptes sollen bei einem hochrangigen deutsch-schweizerischen Treffen zeitnah geklärt werden

Der Bund und das Land Baden-Württemberg wollen den Ausbau der internationalen Schienenverbindung Stuttgart-Zürich zügig vorantreiben. Dies ist das Ergebnis von Gesprächen, die Landesverkehrsminister Winfried Hermann zusammen mit Justizminister Guido Wolf, der zugleich Vorsitzender des Interessenverbands Gäubahn ist, am Freitag, 31. März 2017 im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Berlin führte. Beide trafen sich mit dem Staatssekretär Michael Odenwald und dem Parlamentarischen Staatssekretär Norbert Barthle. Dabei verständigten sich die Teilnehmer des Treffens darauf, den Ausbau für die Beschleunigung der Verbindung Stuttgart – Singen – Zürich voranzutreiben.

Eng verzahnt mit dem Ausbau ist der anschließende Betrieb mit Neigetechnik-Fernverkehrszügen, von deren Einsatz sich die Deutsche Bahn verabschiedet hat. Deren Einsatz ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die angestrebte Verkürzung der Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich. Um die Voraussetzungen für den Einsatz von Neigetechnikzügen der schweizerischen Bundesbahn (SBB) oder einem ganz anderen Betreiber zu klären, haben die Teilnehmer ein zeitnahes hochrangiges Treffen zwischen deutschem und Schweizer Bund, dem Land Baden-Württemberg sowie den beiden staatlichen Bahngesellschaften DB und SBB vereinbart.

Minister Hermann sagte: „Wir haben beim Bund die klare Bereitschaft bestätigt bekommen, den Ausbau voranzutreiben, sobald das Betreiberkonzept für die Neigetechnikzüge steht." Er begrüßte auch ausdrücklich die vorangegangenen klaren Aussagen des Schweizer Bundes, den Ausbau und den Einsatz der Neigetechnikzüge auf der Gäubahn zu unterstützen.

Die Schienenverbindung ist auf der etwa 70 Kilometer langen Strecke zwischen Horb und Tuttlingen nur eingleisig. Der Verkehr soll durch den Bau von sogenannten Doppelspurinseln im Ablauf beschleunigt werden. Als erstes Bauprojekt soll der Abschnitt südlich von Horb in Angriff genommen werden.

Die Bundesregierung hatte im Oktober 2016 entschieden, den Ausbau der Gäubahn wieder in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 aufzunehmen. Dafür hatte sich ein breites Bündnis aus Parteien, Verbänden und Wirtschaft stark gemacht. Für den Ausbau will der Bund etwa 550 Millionen Euro bereitstellen.

Ein Gutachten des Landes hatte zuvor ergeben, dass der Ausbau der Bahnstrecke Stuttgart – Zürich zu vertretbaren Kosten und bei guter Fahrplanstabilität möglich ist. Demnach kann die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich um etwa 20 Minuten verkürzt werden, wenn die Strecke teilweise ausgebaut und wenn Neigetechnikzüge eingesetzt werden. Durch diese Verkürzung der Fahrzeit wird es möglich, im Halbstundentakt passende Anschlüsse in Zürich zu erreichen und damit die Attraktivität der Strecke im internationalen Bahnverkehr deutlich zu steigern.

Die vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg in Auftrag gegebene Expertise hatte die Arbeitsgemeinschaft der Firmen Ernst Basler + Partner AG, Zürich (EBP; Federführung), VIA-Con Consulting & Development, Aachen, und Sweco GmbH, Bremen (vormals Grontmij GmbH) erstellt. Mit der umfassenden Studie wurde untersucht, wie die Zielvorstellungen des deutsch-schweizerischen Vertrages von Lugano aus dem Jahr 1996 erreicht werden können.

Damals wurde vereinbart, durch den Einsatz von Neigetechnik-Zügen die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich auf 2 ¼ Stunden zu verkürzen. Heute ist man im InterCity-Zug knapp 3 Stunden unterwegs. Die Achse Stuttgart – Zürich verbindet die besonders wirtschafts- und bevölkerungsreichen Ballungsräume Stuttgart und Zürich und sie erschließt dazwischen Regionen mit guten Entwicklungschancen.

Die Achse Stuttgart – Zürich ist eine elektrifizierte Hauptbahn und Bestandteil des Grundnetzes des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes (TEN). Sie ist Zulaufstrecke zur „Neuen Alpen-Transversale“ (NEAT), dem vor kurzem neu eröffneten Gotthard-Basistunnel Richtung Italien. Aufgrund ihrer vielen einspurigen und kurvenreichen Abschnitte ist sie jedoch nur beschränkt leistungsfähig.

Das Gutachten des Landes hat daher alle bestimmenden Größen für Fahrzeitverkürzungen, also die Schieneninfrastruktur sowie die Fahrzeuge (konventionelle wie Neigetechnikfahrzeuge) in den Blick genommen. Zusätzlich wurde erstmals eine komplette Betriebssimulation durchgeführt, um auch die Fahrplanstabilität eines beschleunigten Betriebs zu untersuchen. Dabei wurden auch die neuesten Angebotsplanungen insbesondere beim Schienenpersonennahverkehr in Deutschland und in der Schweiz einbezogen, sowie die Einbindung in die Knoten Stuttgart und Zürich.

Wesentliche Kernaussagen des Gutachtens:

Eine Fahrzeitverkürzung von 19 Minuten, die durch bessere Anschlüsse im Gesamtnetz eine Fahrzeitverkürzung von einer halben Stunde bewirkt, kann bei einer wirtschaftlich optimalen Betriebsqualität (Fahrplanstabilität) unter folgenden Voraussetzungen erreicht werden:

mit einem moderaten Mitteleinsatz (je nach Variantenwahl zwischen 220 Mio. und 285 Mio. Euro für den Ausbau der Infrastruktur)
durch den Einsatz Neigetechnikzügen.
Der Ausbau der Infrastruktur ist auch schrittweise möglich. Er nützt vor allem dem Personenfernverkehr, bringt aber auch viel für eine bessere Qualität im Personennahverkehr und im Güterverkehr. Damit werden alle Verkehrsarten und somit Attraktivität der Schiene insgesamt gestärkt.
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