ZM: "Rosskur" für die Ammertalbahn

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
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Tannenrainer
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ZM: "Rosskur" für die Ammertalbahn

Beitrag von Tannenrainer »

Guten Morgen,

ein sehr interessanter und ausführlicher Artikel im heutigen "Gäuboten" aus Herrenberg zu den altbekannten Problemen, mit denen der Ammertalpendler täglich konfrontiert wird...



"02.12.2017

Betriebsleiter regt eine "Rosskur" an

Herrenberg/Tübingen: Grundsätzliche Ideen für stabilere Ammertalbahn

Wie lässt sich die Ammertalbahn noch stabiler und pünktlicher gestalten? Wann der große Wurf - die elektrifizierte Regionalstadtbahn - gelingt, ist noch offen. Bei der Sitzung des Zweckverbandes ÖPNV im Ammertal ging es deshalb um Qualitätsverbesserungen für den aktuellen Betrieb - beispielsweise genügend Fahrzeuge und die Anschluss-Sicherheit in Herrenberg.

Konrad Buck

Der Entringer Andreas Steinacker, Grünen-Vertreter im Tübinger Kreistag, wollte kürzlich via Herrenberg zur Kreistagssitzung nach Tübingen reisen. Die S-Bahn kam in Herrenberg mit fünf Minuten Verspätung um 14.18 Uhr an, die Ammertalbahn fuhr pünktlich um 14.18 Uhr los - die Folge: eine halbe Stunde Wartezeit, wieder einmal Frust bei Steinacker und anderen Umsteigern. Noch schlimmer, so Steinacker, ergehe es den Fahrgästen, wenn der Zug den umsteigewilligen Kunden abends um 23.18 Uhr vor der Nase wegfährt, denn daraus resultiert dann eine Wartezeit von einer ganzen Stunde. In der Regel warten die Züge der Ammertalbahn tagsüber wenige Minuten auf eine verspätete S-Bahn und machen sich um bis zu drei Minuten später auf die Fahrt nach Tübingen. "Es ist aber nicht immer eine einfache Entscheidung, wie lange man maximal warten kann", verdeutlichte Alexander Bleher von der Bahn-Tochter Regionalverkehr Alb Bodensee GmbH. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Gegenzug den Anschluss in Herrenberg verpasst, weil sich die beiden Bahnen auf der eingleisigen Strecke frühestens in Entringen "kreuzen" können. "Die Lokführer werden bei der Aus- und Fortbildung für dieses Thema sensibilisiert, und sie müssen sich in Herrenberg die Information beschaffen, wann die S-Bahn ankommt", erläuterte Bleher.

Die angesprochenen Fälle zeigen indes auch ein grundsätzliches Problem auf, das der in Herrenberg wohnende Ammertalbahn-Betriebsleiter Frank von Meißner unverblümt benannte: "Wir haben hohe Fahrgastzahlen und unglaublich enge Fahrpläne, so dass wir null Reserven haben." Die Crux in Herrenberg besteht darin, dass der Erfolg der Ammertalbahn auch von der verspätungsanfälligen S-Bahn abhängt - unterbrochene Reiseketten schrecken Fahrgäste ab. "Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die S-Bahn pünktlicher wird", sagte Frank von Meißner ebenso unverblümt. Der verstärkte 15-Minuten-Takt bei den S-Bahnen ermöglicht zwar mehr Fahrten und mehr Kapazitäten, genau darin sieht der Bahnexperte aber auch eine Gefahr für noch mehr Verspätungen: Denn je mehr Züge durch die Tunnelstrecke in Stuttgart geschleust werden, desto störanfälliger sei das System. "Man sieht heute schon, dass die S-Bahnen während des 15-Minuten-Takts am unpünktlichsten sind", sagte Frank von Meißner. Auch die Elektro-Triebwagen, die im Zuge der Regionalstadtbahn auf der Ammertalbahn eingesetzt werden, könnten dieses Problem nicht grundsätzlich lösen: "Elektrozüge haben viele Vorteile, aber sie können die Gesetze der Physik nicht aushebeln und können nicht wie eine Rakete durchs Ammertal schießen."

Frank von Meißner bediente sich deshalb bei der gestrigen Zweckverbands-Sitzung mehrfach des Wortes "Rosskur". Er warf also die Frage auf, ob der Fahrplan und das Betriebssystem der Ammertalbahn nicht grundsätzlich zu verändern sind. Im Gespräch ist beispielsweise, den Takt der Ammertalbahn um 15 Minuten zu verschieben, um verlässlichere Übergänge von und zur S-Bahn zu gewährleisten. Angedacht ist auch, die Ammertalbahn-Triebwagen im "Inselbetrieb" nur zwischen Tübingen und Herrenberg verkehren zu lassen - und nicht wie bisher darüber hinaus bis Plochingen/Wendlingen und Bad Urach. Immer wieder sorgen nämlich auch solche "eingeschleppten" Verspätungen für Verdruss auf der Ammertalbahn - so etwa vor wenigen Wochen, als eine Baustelle zwischen Wendlingen und Nürtingen auch den Ammertalbahn-Fahrplan gehörig durcheinanderbrachte. "In diesem Fall wäre ein Inselbetrieb die bessere Alternative gewesen", stellte Markus Kaupper (DB Regio) fest. Auch Zweckverbands-Geschäftsführer Dieter Braun hält pünktliche Züge zwischen Herrenberg und Tübingen für wichtiger als die Möglichkeit, ohne Umsteigen aus und in Richtung Reutlingen zu fahren: "Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem pünktlichen Verkehr im Ammertal oder einer Durchbindung, würde ich mich eindeutig für den pünktlichen Verkehr entscheiden."

Der Zweckverband hatte sich zudem beim Verband Region Stuttgart und bei der Deutschen Bahn darum bemüht, Einfluss auf den S-Bahn-Fahrplan zu nehmen, um die Umsteigerei in Herrenberg erträglicher zu gestalten (der "Gäubote" berichtete). "Bisher waren wir aber nicht sehr erfolgreich, dort werden die Prioritäten anders gesetzt", resümierte Landrat Joachim Walter.

Ein weiteres Problem: Immer wieder fährt auch während der Hauptverkehrszeiten nur ein einziger Triebwagen, der dann überfüllt ist. Wegen der Schmierfilmbildung im Herbst entstünden mitunter unglatte Räder - und die Anlage, die dieses Problem beheben kann, sei zeitweise nicht verfügbar gewesen, benannte Markus Kaupper einen Grund für den Engpass. Ersatzfahrzeuge gibt es gar nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße. Auch technische Störungen bremsen die Triebwagen immer wieder aus. Für Oktober und November listete Alexander Bleher 14 Teil- und 22 Komplettausfälle auf bei insgesamt 4 354 Fahrten, was einer Quote von 0,8 Prozent entspricht. 341 Züge verkehrten "geschwächt", also mit weniger Wagen als vorgesehen - dabei handelt es sich um 7,8 Prozent aller Fahrten."



Die Taktverschiebung um 15 Minuten habe ich mir auch schon oft gewünscht und empfinde ich als äußerst sinnvollen Gedanken, könnte man so doch in Herrenberg zusätzlich zum S-Bahnanschluß auch noch einen sehr eleganten Anschluß mit einer Übergangszeit von 14-15 Minuten auf den RE (zukünftig Metropolexpreß) von/nach Stuttgart einrichten, den man bislang leider gerade so verpaßt...

Und die Durchbindung der Züge über Tübingen hinaus Richtung Reutlingen und weiter ist in der Tat ein großer Unzuverlässigkeitsfaktor, wenn, wie eigentlich jeden Abend in der HVZ, der Neitech-612 aus Stuttgart ordentlich Verspätung auf die KBS 760 schleppt und alle nachfolgenden Züge verklemmt...
Im Übrigen habe ich kürzlich irgendwo gelesen (wenn ich doch noch wüßte wo, dann könnte ich die Quelle belegen), daß tatsächlich nur 7% der Fahrgäste auf der Ammertalbahn über Tübingen hinaus sitzenbleiben, von daher wäre auch die Option eines "Inselbetriebs" Tübingen-Herrenberg durchaus eine richtige Überlegung, wenn dadurch die Zuverlässigkeit im Ammertal erhööht werden könnte...

Gruß
Tannenrainer
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Re: ZM: "Rosskur" für die Ammertalbahn

Beitrag von Vielfahrer »

Ein ähnlicher Artikel kommt heute im Schwäbischen Tagblatt Tübingen

Abwägung einer "Rosskur"
Ammertalbahn 341 Mal fuhr der Zug in den vergangenen beiden Monaten nur mit einem Wagen. Hinzu kommen Ausfälle und Verspätungen. Zwischen Tübingen und Herrenberg könnte der Fahrplan verschoben werden. Von Moritz Hagemann

Die Verantwortlichen der Ammertalbahn sind in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade von Lobeshymnen überhäuft worden: Verspätungen oder übefüllten, weil zu wenigen Wagen sei dank. Doch bei der Versammlung des Zweckverbands ÖPNV im Ammertal am gestrigen Freitag im Tübinger Landratsamt gab's auch Lob. Die Umbaumaßnahmen in diesem Sommer seinen "sehr gut gelöst" worden, sagte Verbandsmitglied Georg Hofer. Andreas Steinacker lobte auch die neu installierten Fahrgastinformationen, die "eine echte Verbesserung" darstellen.

"Blauäugig": höherer Kredit

Soweit zum Positiven. Denn natürlich gingen die Mitglieder auch auf die Probleme ein, die in der jüngeren Vergangenheit aufgetreten sind. So musste der Zweckverband für die Umbaumaßnahmen in diesem Jahr einen Kredit von knapp 2,9 Millionen Euro aufnehmen. Ursprünglich waren nur 1,53 Millionen veranschlagt, da hatte der Zweckverband jedoch mit den vollen Zuschüssen (75 Prozent) vom Land kalkuliert. "Da waren wir vielleicht blauäugig" sagte Geschäftsführer Dieter Braun. Weil das Land viele Projekte parallel fördert, sind für die Ammertalbahn nun gut 35 Prozent hängengeblieben. "Das war für uns nicht wirklich vorhersehbar", sagte Braun. In Zukunft werden vorsichtiger kalkuliert.

Thema waren auch die Zugausfälle und Fahrten mit nur einem Wagen. Letzteres führte Markus Kaupper (Verkersvertragsmanager Deutsche Bahn Regio) auf eine Schmierfilmbildung auf den Gleisen zurück - typisch für die Kälte und das Laub des Herbstes und "wie Glatteis für die Autofahrer". Für die RegioShuttles vom Typ VT 650 bedeutet dies, dass die Räder unrund werden können und die Wagen außer Betrieb genommen werden müssen. Doch die Reparaturanlage in Ulm sei nicht zur Verfügung gestanden und die in Plochingen teilweise ausgefallen.

Mittlerweile seien viele Wagen gerichtet, "und wir haben umfangreiche Wintermaßnahmen" getroffen, sagte Kaupper. In kalten Nächten soll ein Lokführer im Fahrzeug bleiben, um es bei Bedarf in Betrieb nehmen zu können. Alternative Standorte zu kalten Bereichen wurden gesucht, außerdem werden die Fahrzeuge beheizt abgestellt. 14 Teilausfälle, überwiegend auf der Strecke von Entringen nach Herrenberg, und 22 Komplettausfälle zwischen Tübingen und Herrenberg gab es alleine im Oktober und im November dieses Jahres.

In diesen zwei Monaten waren die Züge 341 Mal nur mit einem Fahrzeug unterwegs, das entspricht 7,8 Prozent aller Fahrten der Ammertalbahn. Weil die Hälfte aller Ausfälle auf die Baumaßnahmen zwischen Nürtingen und Wendlingen zurückzuführen ist, "müssen wir über eine Insellösung nachdenken", sagte Braun. Sprich Züge, die nur zwischen Tübingen und Herrenberg verkehren.

Abhilfe schaffen könnte eine "Rosskur", wie es Eisenbahnbetriebsleiter Frank von Meissner ausdrückte. Weil "das System maximal am Anschlag" sei, müssen über eine Verschiebung des Fahrplans auf der Strecke von und nach Herrenberg nachgedacht werden. Konsequenz wäre, dass die Verbindungen in Tübingen schlechter, dafür aber in Herrenberg besser werden. "Wir müssen abwägen: Was ist uns wichtiger?" sagte Landrat Joachim Walter. "Das ist eine Sache, in der wir uns schnell nochmal Gedanken machen müssen." Alternativen gibt es kaum. Ein doppelspuriger Ausbau der Teilstrecke ist noch keine.

Von Meissner warnte, dass auch die Elektrozüge der Zunkunft "die Gesetze der Physik nicht aushebeln könnten und der Zug dadurch nicht schneller fährt". Auch der künftige 15-Minuten-Takt der S-Bahn von Stuttgart nach Herrenberg werde die Anschlussprobleme der Ammertalbahn nicht lösen, glaubt von Meissner. Die Stammstrecke in Stuttgart wird viel mehr beansprucht. Ausfälle seine vorprogrammiert und eine Verschiebung des S-Bahn-Fahrplans somit auch. Landrat Walter steht zwar in ständigem Austausch mit dem Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), "aber beim VVS werden die Prioritäten anders gesetzt", sagte Walter.

In Herrenberg funktioniert außerdem seit dem 16. Oktober die Anzeige am Gleis 102 - dort hält die Ammertalbahn - nicht mehr. Sechs bis acht Wochen dauert es, bis der defekte Rechner ausgetauscht ist. Ein Ersatzteil gibt es nicht. "Das verstehe ich nicht ganz" sagte Alexander Bleher, der örtliche Betriebsleiter für den Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB). Bleher versicherte auch, dass "rigoros" gegen Lokführer vorgegangen werde, die bei der Abfahrt der Ammertalbahn in Herrenberg nicht den Puffer von bis zu drei Minuten abwarten, wenn die S-Bahn schon in Sichtweite ist.

Auch in den kommenden Sommerferien müssen Arbeiten an der Strecke der Ammertalbahn durchgeführt werden. Und zwar überwiegend im Bereich Tübingen-West. Deshalb muss die komplette Strecke von Tübingen bis Herrenberg ab Montag, den 13. August 2018 für vier Wochen gesperrt bleiben. In dieser Zeit wird es wieder einen Schienenersatzverkehr geben.

Viele Grüße vom Vielfahrer
lepus maritimus
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In Tü. durchfahrende Fahrgäste Ammertalbahn

Beitrag von lepus maritimus »

Hallo Forum,

zur Frage der in über Tübingen hinaus durchfahrenden Fahrgäste der Ammertalbahn: Herr Braun (Zweckverband) sprach in der Zweckverbands-Versammlung von täglich 700 Fahrgästen, die durchfahren.

So gesehen hätte ein stabiler Inselbetrieb zwischen Tübingen und Herrenberg, ohne Durchbindung über Tü. hinaus, wirklich viele Vorteile.

Viele Grüße
L.M.
Im Übrigen habe ich kürzlich irgendwo gelesen (wenn ich doch noch wüßte wo, dann könnte ich die Quelle belegen), daß tatsächlich nur 7% der Fahrgäste auf der Ammertalbahn über Tübingen hinaus sitzenbleiben
Tannenrainer
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Re: In Tü. durchfahrende Fahrgäste Ammertalbahn

Beitrag von Tannenrainer »

lepus maritimus hat geschrieben: So gesehen hätte ein stabiler Inselbetrieb zwischen Tübingen und Herrenberg, ohne Durchbindung über Tü. hinaus, wirklich viele Vorteile.

So sieht`s aus!

Dann muß allerdings auch klar sein, daß es in Herrenberg definitiv kein Warten auf verspätete Anschlußzüge mehr geben wird, sonst ist wieder alles für die Katz` gewesen... denn dazu wäre dann die planmäßige Wendezeit von 5 Minuten in Tübingen viel zu knapp, um so eine Verspätung aufzufangen und abzubauen...

Heißt auch, es würde dann auf die angesprochene Lösung mit dem Verschieben des Taktes um 15 Minuten rauslaufen, um einerseits entspanntere Übergänge in Herrenberg von/zur S-Bahn (und erstmalig auch von/zum RE in/aus Richtung Stgt.) und andererseits entspannte Übergänge in Tübingen vom/zum RE in/aus Richtung Reutlingen hinzubekommen... denn ein planmäßiger 3-Minuten-Übergang von/zur dann ebenfalls gekappten RB Tübingen-Plochingen bzw. Bad Urach wird ganz sicher nicht funktionieren...


Gruß
Tannenrainer
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