EK: Untersuchungen für Hybrid-Fahrzeuge Hochrhein

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lepus maritimus
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EK: Untersuchungen für Hybrid-Fahrzeuge Hochrhein

Beitrag von lepus maritimus »

Hallo Florian und Vielfahrer,

ich beziehe mich auf Eure Diskussion zum Thema "Dieselelektrische Stadler-GTW für den Ringzug?" in der Rubrik 'Ringzug', die ja eigentlich in die Rubrik 'KBS 730' verschoben gehört:

Der aktuelle Eisenbahn-Kurier 11/2013 schreibt in einer Meldung zu den Hybrid-Untersuchungen für die Hochrheinstrecke:
Statt dessen soll, so der Auftrag des Parlaments, nun das Schweizer Bundesamt für Verkehr (BAV) bis zum Oktober 2013 prüfen, wie und zu welchen Kosten das Angebot auf der Hochrheinstrecke Basel-Schaffhausen verdichtet und besser in das deutsche und schweizerische Bahnnetz eingebunden werden kann. Neben der Elektrifizierung, deren Finanzierung nicht sichergestellt ist, hat das BAV dabei auch den Einsatz von innovativen Hybrid-Rollmaterial im Auge: Gemeint sind Elektrotriebzüge, die sowohl mit 15 kV-Strom aus der Oberleitung als auch mit einem leistungsfähigen Dieselgenerator fahren können.

Da die schnellste Verbindung von Schaffhausen nach Basel über die Hochrheinstrecke führt, hat die Schweiz großes Interesse an der Aufwertung der IRE-Verbindung Singen – Basel und an der Taktverdichtung zum 30 Min-Takt. Derzeit wird diese nur stündlich (Wochendende sogar nur zweistündlich) mit den bei Fahrgästen eher unbeliebten 611 bedient.

Derartige Hybrid-Fahrzeuge sind bei der SNCF als Baureihen B 81500 und B 82500 (Hersteller Bombardier) bereits in weiten Teilen Frankreichs mit Erfolg im Einsatz. Dem Vernehmen nach hat auch der Schweizer Produzent Stadler Interesse bekundet, aus seiner Dieselversion des FLIRT eine Zweikraft-Variante abzuleiten. Solche Hybridzüge könnten dann von Basel bis Erzingen mit Dieselantrieb verkehren, von Erzingen bis Singen elektrisch.
Persönliche Anmerkung: Dann von Singen im elektrischen Betrieb weiter bis Radolfzell, von dort mit Diesel weiter nach Friedrichshafen und von Friedrichshafen wieder elektrisch bis nach Ulm: Dann hätte man eine durchgehende Verbindung Basel <> Ulm und würde dort, wo bis 2018 die Fahrleitung (hoffentlich) hängt, dann auch die Vorteile der Elektrischen Traktion nutzen.

Weiter schreibt der Eisenbahn-Kurier:
Konkrete Machbarkeitsstudien von SBB und DB Netz sollen bis Ende Oktober 2013 dem BAV vorliegen; noch im Spätherbst soll dann gemeinsamt mit dem baden-württembergischen Verkehrsministerium entschieden werden, welche Variante vertieft untersucht wird. Zur Wahl stände auch eine Variante mit konventionellen Dieselfahrzeugen.
Übrigens: Ganz aktuell hat die SNCF weitere neue Hybrid-Triebwagen für den interregionalen IC-Verkehr bestellt, diesmal beim Hersteller Alstom: http://www.railwaygazette.com/news/sing ... nsets.html. So ganz uninteressant scheint diese Technologie doch nicht zu sein, Florian, sonst würden unsere französischen Nachbarn ja nicht so stark darauf setzen. Solche Hybrid-Fahrzeuge am Hochrhein, das hätte doch was:
Bild

Oder? :-)

Viele Grüße
L.M.
wolfgang65
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Re: EK: Untersuchungen für Hybrid-Fahrzeuge Hochrhein

Beitrag von wolfgang65 »

Hallo zusammen,

die oben angesprochenen Züge sind aber nicht unbedingt Nahverkehrzüge für Strecken mit sehr geringem Haltestellenabstand - als Ersatz für das derzeitige Anwendungsgebiet des RS-1 also eher nicht geeignet. Zumindest nicht im Dieselbetrieb. Dei Züge sind durch die Doppelausrüstung von Antrieb (und Bremse - eine typ. E-Bremse funktioniert halt ohne Netz nicht - Das bedingt dann wieder Bremswiderstände, ein Umschaltung dafür usw.) schwerer und die Dieselmotoren sind bei den vorhanden Beispielen eher leistungsschwach.

Wo ich das größte Problem sehe - die Züge sind tendenziell technisch gesehen recht komplex und im Vergleich zu heutigen Fahrzeugen wartungsintensiver. Was aber am meisten dagegen spricht ist die deutsche - aus meiner Sicht ziemlich schwachsinnige - Ausschreibungssystem deutscher Strecken. Zuerst sucht mein einen möglichst billigen Betreiber, der dann möglichst kurzfristig ein noch nicht fertig entwickeltes Fahrzeug (das auch noch rechtzeitig produziert und zugelassen werden sollte) auch noch kundenspezifisch bestellt. Und dann wundern sich hinterher alle, warum das Fahrzeug nicht rechtzeitig fertig ist und gleichzeitig auch nicht preiswert ist. Dass bei so einem System fast zwangsläufig Krücken heraus kommen müssen sollte doch klar sein.

Diese Hybrid Züge sind aber technisch deutlich komplexer - was wird da dann wohl heraus kommen. 3 Mal dürft Ihr raten....

Grüße

Wolfgang
lepus maritimus
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Re: EK: Untersuchungen für Hybrid-Fahrzeuge Hochrhein

Beitrag von lepus maritimus »

Hallo Wolfgang,

solche Hybridfahrzeuge sind wirklich ziemlich schwer, weil sie die volle E-Technik (allein der 15 kV-Transformator wiegt 4.000 kg, und der FLIRT hat davon zwei (an jedem Fahrzeugende einen) und die volle Diesel-Technik verbaut werden. Du hast also Recht, solche Hybrid-Fahrzeuge sind sicher nicht für den RB- oder S-Bahn-Verkehr mit vielen Zwischenhalten geeignet. Das wäre so, wie wenn man mit einem 7er-BMW im Stadtverkehr fahren will - geht schon, treibt aber den Kraftstoffverbrauch in die Höhe.
Also sind diese Hybrid-Überlegungen sicher weniger für den Ringzug geeignet. :Eher-Nicht:

Für die schnellen IRE-Züge auf der Hochrheinstrecke dagegen könnte das schon interessant sein. Hier wäre meiner Meinung der Charme von Hybrid-Zügen der, dass man die Linie Ulm <> Basel eben durchgehend erhalten könnte und trotzdem nicht über viele km mit Diesel unter Fahrdraht fahren muss. Zu den Betriebskosten kann ich nichts sagen - aber die heutige Neigetechnik ist ja auch eine recht komplexe und teure Technologie.

Deine Kritik am "schwachsinnigen" Ausschreibungssystem teile ich nicht: Letztlich liefern die Eisenbahnverkehrsunternehmen genau das, was ausgeschrieben wird. Wenn die ausschreibende Stelle einen 200 km/h schnellen druckdichten Zug für die Schnellfahrstrecke fordert, dann liefern das die Eisenbahnen: Beispiel Münden-Nürnberg-Express durch DB Regio mit neu entwickelten Garnituren von Skoda (siehe http://www.railwaygazette.com/news/sing ... rains.html). Oder wenn die ausschreibende Stelle einen Neigetechnik-Zug fordert, dann liefern das die EVU: Beispiel VT 612 durch DB Regio. Oder wenn die ausschreibende Stelle einen Zug mit Deutschland- und Frankreich-Zulassung fordert, dann liefern das die EVU: Beispiel RS 1 durch Ortenau-S-Bahn.

Also: Wenn die ausschreibende Stelle dereinst einen Hybrid-Zug für die Hochrheinstrecke fordern und bezahlen würde, der durchgehend von St. Gallen oder Ulm bis nach Basel fahren kann, dann würden das auch die EVU liefern. Die entsprechenden Fahrzeuge werden jedenfalls von der Industrie - Bombardier, Alstom, Stadler - ja offenbar angeboten.

Liebe Grüße
L.M.

P.S. Gerade das Beispiel des Münden-Nürnberg-Express zeigt, dass weitsichtige ausschreibende Stellen durchaus auch sehr teure, aber eben auch sehr attraktive Konzepte ausschreiben:
Bild
wolfgang65
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Re: EK: Untersuchungen für Hybrid-Fahrzeuge Hochrhein

Beitrag von wolfgang65 »

lepus maritimus hat geschrieben:...

Deine Kritik am "schwachsinnigen" Ausschreibungssystem teile ich nicht: Letztlich liefern die Eisenbahnverkehrsunternehmen genau das, was ausgeschrieben wird. Wenn die ausschreibende Stelle einen 200 km/h schnellen druckdichten Zug für die Schnellfahrstrecke fordert, dann liefern das die Eisenbahnen: Beispiel Münden-Nürnberg-Express durch DB Regio mit neu entwickelten Garnituren von Skoda (siehe http://www.railwaygazette.com/news/sing ... rains.html). Oder wenn die ausschreibende Stelle einen Neigetechnik-Zug fordert, dann liefern das die EVU: Beispiel VT 612 durch DB Regio. Oder wenn die ausschreibende Stelle einen Zug mit Deutschland- und Frankreich-Zulassung fordert, dann liefern das die EVU: Beispiel RS 1 durch Ortenau-S-Bahn.

Also: Wenn die ausschreibende Stelle dereinst einen Hybrid-Zug für die Hochrheinstrecke fordern und bezahlen würde, der durchgehend von St. Gallen oder Ulm bis nach Basel fahren kann, dann würden das auch die EVU liefern. Die entsprechenden Fahrzeuge werden jedenfalls von der Industrie - Bombardier, Alstom, Stadler - ja offenbar angeboten. ...
Man kann sich sicher streiten, ob es sinnvoll ist, daß bei jeder Ausschreibung das Rad neu erfunden werden muss, um jedem Besteller exakt seinen Willen zu geben. Ich finde Nein, aber wie gesagt das ist nicht das wirkliche Problem, sondern das kostet nur unnötig Steuergeld. Große Stückzahlen reduzieren nun mal immer Kosten.
Allerdings erhöhen immer wieder neue Fahrzeuge die Entwicklungszeit und hier liegt ein Problem der Ausschreibepraxis in den letzten Jahren. Die Zeitpläne dieser Praxis sind praktisch immer deutlich zu kurz - Leidtragende sind Hersteller und später auch die ausführenden Bahnen. Die Züge werden nicht fertig oder bekommen keine Zulassung (wie oft ist das in letzter Zeit passiert???) und später stellen sich diese Teile als Krücke heraus, weil der Hersteller keine Zeit hatte die Züge fertig zu entwickeln. Dann schimpft man auf den Hersteller - aber was soll der denn machen - Aufträge nicht annehmen, die man zum Überleben braucht???

Das Problem liegt in der Ausschreibungspraxis - daher ist diese für mich schwachsinnig. Und es ist ja kein Zufall, dass solche Problem in Ländern, die diese Praxis noch nicht umgesetzt haben, viel weniger auftauchen.

Und wer die Produktzyklen von Schienenfahrzeugen mit denen moderner Kommunikationstechnik vergleicht, kennt die Prozesse nicht die hier ablaufen. Hier handelt es sich um Kleinserienprodukte, bei denen Komplettsimulationen oder große Musterstückzahlen, wie bei Großserienprodukten üblich, nicht bezahlbar wären.

Grüße

Wolfgang
DE 18
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Ausschreibungen

Beitrag von DE 18 »

Hallo,

trotz der Gefahr des Abschweifens...
Gelinde gesagt wundere ich mich häufig, was da so ausgeschrieben wird. Wer 3 Toiletten ausschreibt hat sie bisher gekriegt. Wer 100 Sitze ausschreibt, hat sie gekriegt - wenn auch in einem RS.
Die EVU, die ohne Forderungen größere Sitzabstände oder mehr Türen mehr anbieten sind dann natürlich zu teuer. Es kommt natürlich der billigste mit den Minimalanforderungen zum Zug. Und dann wundern sich die Ausschreiber, dass sie das erhalten haben, was ausgeschrieben wurde und nicht das, was sie sich erträumt haben.
Außerdem bin ich der Meinung, dass man nicht immer neue Fahrzeuge braucht und kann es nicht verstehen, wenn auch dieses Jahr wieder Ausschreibungen mit lediglich 3 Jahren Vorlaufzeit getätigt werden. Da scheinen einige Herrschaften nicht von Fehlern anderer gelernt zu haben und wollen sie erst noch selber (mit fremdem Geld) machen.
Zudem wäre ich bei einer Fahrzeuglebensdauer von 30 Jahren für 15 Jahre Laufzeit der Verträge und mehr Einheitlichkeit.

Dennoch einen schönen Abend, DE 18
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