Elektrifizierungen im Süden

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von Vielfahrer »

Die Elektrifizierung von Bahnlinien im Süden des Landes nimmt allmählich wieder an Fahrt auf. An die 500 Kilometer dürften elektrifiziert werden oder es gibt zumindest Projekte und Gespräche mit dem Land. Neben der Breisgau-S-Bahn, Südbahn und Allgäubahn geht es um die Bodenseegürtelbahn, die Hochrheinstrecke, die Schönbuchbahn, die Ermstalbahn, die Ammertalbahn, die Zollernbahn zwischen Tübingen und Albstadt und dann auch im Zuge der RegionalStadtBahn NeckarAlb um die Strecke Tübingen - Horb. Gespräche gibt es auch über die Strecken Rottweil - Villingen, Immendingen - Tuttlingen und Bräunlingen - Hüfingen Mitte, im Nagoldtal und an anderen Orten.

Südlich von Baden-Württemberg, in der Schweiz, ist man ja schon seit Jahrzehnten diesbezüglich viel weiter und wird nun auch im Busverkehr einen deutlichen Vorsprung erreichen. So soll in der Stadt Schaffhausen der komplette Nahverkehr mit Bussen (derzeit 34 Dieselbusse und 7 Trolleybusse) auf Elektrobusse mit Schnellladesystem umgestellt werden. Die bestehenden Trolleybusse sollen entsprechend umgerüstet werden. Das Vorhaben ist in dieser Art für die Schweiz einmalig. Die Stadt Schaffhausen und die Verkehrsbetriebe Schaffhausen (VBSH) nehmen mit dieser Strategie in der Elektromobilität eine Vorreiterrolle im Nachbarland ein. Die entsprechende Strategie- und Planungskreditvorlage geht jetzt an das Stadtparlament.

Die aktuelle Flottenplanung sieht vor, dass der öffentliche Beschaffungsprozess für eine neue Generation Busse in den nächsten Monaten gestartet wird, damit die neuen Busse – nach Ablauf der Lebensdauer der bestehenden – rechtzeitig in Betrieb genommen werden können. Die VBSH haben dazu bereits eine umfassende Analyse der aktuell auf dem Markt verfügbaren Traktionsarten gemacht und dabei zehn unterschiedliche Systeme untersucht. Im Vergleich der Traktionen mit Gewichtung der wirtschaftlichen und ökologischen Vorzüge geht der E-Bus mit Schnellladesystem (Opportunity Charging Conductive OCC) als Sieger hervor. Der E-Bus mit Schnellladesystem bezieht die Energie von einer auf dem Dach installierten Batterie, welche sowohl im Depot als auch an einzelnen Haltestellen in kürzester Zeit geladen wird. Dieser E-Bus ist nach den Berechnungen der VBSH trotz der notwendigen Anfangsinvestition (Ladestationen) in der Gesamtbilanz bereits nach fünf Betriebsjahren günstiger als der Dieselbus. Eine vollständige Ablösung der Dieselflotte auf dem gesamten VBSH-Netz ist dadurch bis 2027 möglich.

Mit der vorliegenden Strategievorlage wird dem Großen Stadtrat ein Grundsatzentscheid zur Umstellung auf E-Busse mit Schnellladesystem und ein entsprechender Planungskredit über 630.000 Franken beantragt. Bestätigt das Stadtparlament die Strategie, so wird im nächsten Schritt das Submissionsverfahren gestartet. Der Zuschlag erfolgt unter Vorbehalt der Genehmigung der Investitionskreditvorlage durch Parlament und Volk. Um die Risiken bei der Einführung dieser zwar andernorts erprobten, aber dennoch noch relativ neuen Technologie zu reduzieren, muss der Anbieter einen Pilotbetrieb unter realen Umständen (im Sinne eines Testbetriebs) bestehen. Der Pilotbetrieb auf dem VBSH-Netz und die Volksabstimmung sind im Jahr 2018 geplant. Als Rückfallposition (und für die Beschaffung der RVSH) wird parallel der Beschaffungsprozess für Dieselbusse mit einer sogenannten Backupbeschaffung durchgeführt.

Im ersten Schritt ist die Beschaffung von zehn E-Bussen, elf Ladestationen am Bahnhof Schaffhausen, die Umrüstung der Trolleybusse sowie die notwendige Erweiterung des Busdepots im Ebnat vorgesehen. Die Netto-Investitionen werden auf rund 19 Millionen Franken geschätzt. Eine reine Dieselbus-Beschaffung in der gleichen Größenordnung würde inklusive aller nötigen Infrastrukturkosten auf rund 15 Millionen Franken kommen.

Auch östlich von uns setzt man auf elektrischen Antrieb. So wird die Stadt Moskau pro Jahr 300 Elektrobusse anschaffen. Später sollen es 600 Elektrobusse pro Jahr werden (die Flotte umfasst insgesamt 6.000 Busse in der russischen Hauptstadt). Die Reduzierung der CO2-Emissionen steht also auch in Russland ziemlich weit oben auf der Agenda. Auch andere Themen, wie etwa Carsharing, für das in Moskau eine Flotte von 2000 Fahrzeugen bereitsteht oder auch WLAN in der Moskauer U-Bahn werden verfolgt, und bei der Straßenbahn und dem Bus habe hat man dies auch vor. Moskau setzt also auf die Elektrifizierung und die Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs, um ihn für die Fahrgäste komfortabler zu machen. Megatrends also, die für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sehr viele Chancen bieten.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von wolfgang65 »

Hallo Vielfahrer,

ich würde die Aussage, dass Elektromobilität ökologisch Vorteile bringt oder sogar die CO2 Bilanz verbessert so nicht machen.

Grundsätzlich ist der Gesamtwirkungsgrad ein Dieselbusses bezogen auf Primärenergie besser als der eines Busses oder mit Schnellladefunktion elektrisch unterwegs ist. Das liegt einfach daran, dass das Problem nur verschoben wird - vom Bus in das Kraftwerk. D.h. bevor man etwas als ökologisch vorteilhaft bezeichnen kann, sollte man unbedingt die Gesamtbilanz betrachten.

Speziell in Deutschland muss man das sehr kritisch sehen - Woher kommt denn unser Strom? Kernkraft und Kohle - die erneuerbaren Energien sind zwar zahlenmäßig gut vertreten, aber das ist leider nicht real der Fall. Der hier erzeugte Strom wird zwischenzeitlich sogar für Minusbeträge(!!) ins Ausland verschenkt (Länder die Speichern können), weil er nicht nutzbar ist. Das Problem - für jedes Windrad oder jede Solarzelle benötigt man langfristige Speichermöglichkeiten - die leider in Deutschland praktisch nicht umgesetzt wurden. Tja, man bräuchte Unmengen an Stauseen oder ähnliches. Stromspeicher mit Akkus würde ich persönlich eher als Supergau ansehen - man muss hier die Auswirkungen auf die Umwelt von Produktion und Entsorgung mit einrechnen...

Kommen wir wieder zu den Bussen mit kleinen Akkus - die erzeugen sehr hohe Ströme für kurze Zeit. Also Gift für das Stromnetz, wenn man keine Speicher hat. umso mehr.
Jetzt mag es sein, dass die Schweiz relativ viel Strom aus Wasserkraft hat - in dem Falle mag die Umweltbilanz durchaus gut aussehen. Aber in Deutschland könnte man dann nur noch auf die Kernkraft verweisen und die will man ja - zurecht - los werden.

Soll heißen - ein Elektroauto ist nicht automatisch umweltfreundlich.

Grüße

Wolfgang
Vielfahrer
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Wolfgang,

mit der Verlagerung der Probleme ins Kraftwerk hast Du sicherlich recht. Der Strom kommt eben nicht nur aus der Steckdose und geglaubt habe ich auch den Werbeslogan der DB nicht, dass ich als BC-100-Besitzer vollständig mit erneuerbarer Energie unterwegs wäre. Und die Problematik der Batterien bzw. der Speicherung der Energie ist sicherlich der Grund dafür, dass die Entwicklung nicht rascher vonstatten geht. In der NZZ hatte ich mal gelesen, dass hinsichtlich des Strombedarfs in der Tat Schnellladungen problematisch sind. Es wurde die These entwickelt, dass man dies über den Preis regeln könne. Wer kurzfristig laden möchte, zahlt deutlich mehr, als derjenige, der z.B. mit Nachtstrom seinen PKW wieder auflädt. Also, anstatt Wasser in (bei uns kaum vorhandene) Stauseen hochzupumpen sollte über Nacht geladen werden, immer mit der Zielsetzung, keine Stromspitzen zu schaffen.

Trotzdem, es gibt nicht nur die CO2-Problematik. Auch der Lärm von Bussen, der Ruß, der Feinstaub usw. sind Immissionen, die zu beachten sind. Bei mir in der Tübinger Mühlstraße z.B. sind pro Werktag 2.800 (!!!) Dieselbusse unterwegs, die meisten davon sind Gelenkbusse bzw. auch Capacity-Busse (195 Sitz- und Stehplätze) mit mehr als 20m-Länge. Die Idee der RegionalStadtBahn ist es, mindestens die Hälfte dieser Busse einzusparen und durch eine elektrische Stadtbahn (sie zieht den Strom aus dem Fahrdraht) im 7,5-Minuten-Takt zu ersetzen. Gleichzeitig soll die RegionalStadtBahn den Verkehr aus der Region in die Stadt zu den Arbeitsplätzen analog zum Karlsruher Modell umsteigefrei gewährleisten und damit eine sehr attraktive Alternative zu den vielen PKW (Diesel und Benzin zu sicherlich 99%) bieten. Die elektrische RegionalStadtBahn wird für weniger Individualverkehr sorgen und zugleich die Entwicklung der Region neu strukturieren. Das bisherige System (Dieseltriebwagen bis Tübingen Hbf und dann Umstieg auf Dieselbusse in dichtem Fahrplan) überzeugt die Autofahrer nicht, wie man täglich an den Staus und an den Parkplatznöten sehen kann. Ein neues und modernes ÖV-System auf elektrischer Basis dürfte da weit mehr Zuspruch finden.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Christian
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von Christian »

Vielfahrer hat geschrieben:Gespräche gibt es auch über die Strecken Rottweil - Villingen, Immendingen - Tuttlingen und Bräunlingen - Hüfingen Mitte, ...
Und den Ringzug dann auf Elekro umstellen? Ich kenne keinen E-Fahrzeuge die so klein sind wie ein RS1 *verwirrt2*
Das kleinste was ich kenne ist der 426 *psst*
Grüße,
Christian
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von GP4Flo »

Den Siemens Mireo, der in Zukunft auf der Rheintalbahn als RB unterwegs sein wird, kann man auch als 2-Teiler mit 50 m Länge bestellen. Damit sollte er an alle Bahnsteige passen, an denen eine 2-fach Traktion RS1 auch halten kann.

https://www.siemens.com/global/de/home/ ... mireo.html
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von Lucian Berndt »

Christian hat geschrieben:[ Ich kenne keinen E-Fahrzeuge die so klein sind wie ein RS1 *verwirrt2*
Das kleinste was ich kenne ist der 426 *psst*
Ich weiß nicht, ein 2-teiler Flirt? Wenn man genau hält dürfte der doch grade so an einen 50er gehen oder? Und wie ist es mit Hamster (:kotz)? Kann man die auch 2teilig bestellen?

Und wenn das alles nichts hilft -> E-Lok & ein Steuerwagen. Steht die Lok halt immer ausserhalb des Bahnsteigs aber der Wagen passt aufjedenfall *xD*

Lg Lucian
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Tf Reinhard
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von Tf Reinhard »

Unsere Bahnsteige sind inzwischen alle 80 Meter. Anfangs hatten wir noch zwei mit einer Länge von 50 Metern, weil die für 2er-Garnituren ausreichend sind. Da man später dann aber auch nach Bräunlingen 3-teilig gefahren ist, wurden diese dann auch auf 80 Meter verlängert.

Reinhard
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Re: Elektrifizierungen im Süden

Beitrag von Vielfahrer »

Eines der Hauptprobleme ist noch der Bahnsteig in Tuttlingen-Zentrum. Vom Bedarf her müsste man vierteilig fahren, es passen aber nur 3 Shuttle an den Bahnsteig. Vor einigen Jahren (als das mit den NE 81 hoch im Kurs war) wurde der Ausbau auf 120 m Länge geplant, dann aber wegen extrem hoher Kosten für die NE 81 wieder aufgegeben. Dass die Altfahrzeuge (von der WEG wären sie gekommen) teurer als RegioShuttle waren, hat dann den Finanzgebern den Rest gegeben. Das Projekt wurde leider begraben.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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