Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
Vielfahrer
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Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Vielfahrer »

Die Stadt Villingen-Schwennigen hat in einer Vorabbekanntmachung angekündigt, dass der Stadtverkehr auf Ende 2019 neu vergeben werden soll. Gemäß derVorabbekanntmachung können nunmehr ab sofort bis Jahresende interessierte Verkehrsunternehmen ein Angebot für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb des Stadtverkehrs abgeben. Geht kein eigenwirtschaftliches Angebot ein, so wird die Stadt Villingen-Schwenningen im Laufe des Jahres 2018 per Ausschreibung einen Betreiber suchen. Gehen mehrere eigenwirtschaftliche Angebote ein, dann wird die Stadt Villingen-Schwenningen denjenigen Bieter auswählen, der das beste Angebot für die Stadt und ihre Bürger bietet.

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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Vielfahrer »

Anfang Oktober 2017 hat die Stadt Villingen-Schwenningen im EU-Amtsblatt bekannt gegeben, dass auf Ende 2019 der Stadtverkehr Villingen-Schwenningen neu vergeben werden soll. Daraufhin begann eine Spanne von 3 Monaten, während der interessierte Verkehrsunternehmen ein eigenwirtschaftliches Angebot abgeben konnten. Dies wäre dann Anfang Januar 18 der Fall gewesen. Anschließend müssen solche Angebote geprüft werden, was in der Regel innerhalb von 3 Monaten, längstens 6 Monaten erfolgen muss. Eine Entscheidung sollte also im Laufe des kommenden Monats getroffen werden. Es lohnt sich daher, die Agenda der Stadtratssitzungen genau zu verfolgen. Dies müsste man hier sehen können.

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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Vielfahrer »

Am Dienstag dieser Woche hat der Technische Ausschuss der Stadt Villingen-Schwenningen und am Mittwoch der Verwaltungs-Ausschuss der Stadt Villingen-Schwenningen getagt und sich mit dem Ergebnis der Vorabbekanntmachung befasst. Eingegangen ist im Januar 18 ein Antrag der VGVS, also des bisherigen Stadtbusbetreibers, der ein eigenwirtschaftliches Angebot vorgelegt hat, das den im Nahverkehsplan definierten Kriterien entspricht. In groben Zügen bedeutet dieses Angebot, dass der für das bisherige Stadtbusangebot erforderliche Zuschuss in Höhe von 1.800.000.- € pro Jahr entfällt und zugleich das Leistungsangebot um ca. 25% ausgeweitet wird. Die Verkehrsunternehmen rechnen damit, dass sie dies so stemmen können.
Für die Mitglieder beider Ausschüsse war dies ein in hohem Maße erfreuliches Ergebnis und beide Ausschüsse haben sich dafür ausgesprochen, dass dem Genehmigungsantrag entsprochen wird.

Seitens des Schwarzwald-Baar-Kreises war zuvor signalisiert worden, dass man der Position der Stadt entsprechen werde, denn ansonsten hätte der Verkehr ausgeschrieben werden müssen und es wären für die Stadt vermutlich hohe Folgekosten angefallen. Das neue Verkehrsangebot soll zum 1.Januar 2020 umgesetzt werden und entspricht in vollem Umfang den geforderten Rahmenbedingungen des Nahverkehrsplans. Über weitere Verbesserungen, die über die Festlegungen im Nahverkehrsplan hinausgehen, wie etwa einen Nachtbus in der Gesamtstadt (einschließlich der Stadtteile) soll im Laufe des Jahres separat gesprochen werden.

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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von sBähnle »

Hallo Vielfahrer,

vielen Dank für die interessanten Informationen.
Trotz dreimaligem Lesen kratze ich mich nun über folgende Fragen verwundert am Kopf:
Die VGVS hat angeboten, freiwillig ab 2020 auf jährlich 1,8 Mio. € Zuschuss zu verzichten und gleichzeitig das Verkehrsangebot um ca. 25% zu erhöhen?
Wie wollen die dann ab 2020 den Betrieb finanzieren?
Werden die Fahrpreise entsprechend erhöht oder bekommen die mehr aus dem VSB-Einnahmentopf?
Wenn die VGVS ab 2020 einfach so auf 1,8 Mio. € Zuschuss verzichten kann, wozu benötigen sie dann heute diese Summe?
Mir ist bewusst, dass die Finanzierung im ÖPNV ein Moloch ist, bei dem vermutlich selbst die Fachleute nicht mehr durchblicken, aber wenn hier scheinbar locker auf Zuschüsse verzichtet werden kann und gleichzeitig noch das Angebot um 25 % erhöht werden soll, kommt mir das Ganze etwas seltsam vor ...
Vermutlich fehlen uns aber einfach ein paar weitere Informationen, damit das Ganze wieder ein rundes Bild gibt.

Vielleicht kannst du uns hier noch mal neu Aufgleisen?

Vielen Dank - auch für deine immer sehr ausführlichen und interessanten Berichte (das wollte ich schon lange mal sagen)!

Grüßle
Stefan
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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Stefan,

auf den ersten Blick erscheint das in der Tat verwunderlich. Aber das EU-Recht sieht vor, dass eigenwirtschaftliche Anträge gestellt werden können. Dies heißt, dass der antragstellende Verkehrsunternehmer bereit ist, das in der Vorabbekanntmachung beschriebene Verkehrsangebot (dort war kein Fahrplan hinterlegt, jedoch zahlreiche Forderungen an den Angebotsumfang) zu bieten und dass ihm dann die Genehmigung dafür zu erteilen ist. Im genannten Fall ist die VGVS bereit, dies zu tun. Sie erspart sich und dem Aufgabenträger damit die Prozedur einer Ausschreibung, hätte dann aber, falls sie das günstigste Angebot abgegeben hätte, Zuschüsse seitens der Stadt VS erhalten können.

Wenn ein Verkehrsunternehmen einen eigenwirtschaftlichen Antrag abgibt, so hat es mit Sicherheit alle Kostenstellen durchforstet, kalkuliert also kostenmäßig am unteren Limit. Damit dies nicht zulasten der Arbeitnehmer des Unternehmens, also der Busfahrer, geht, ist in der Vorabbekanntmachung gefordert, dass mindestens die Tariflöhne bezahlt werden müssen. Wäre das nicht der Fall, so könnte das Unternehmen ausgeschlossen werden. Auch sonst gibt es manigfache Möglichkeiten, die Kosten zu senken. Beispielsweise können Neufahrzeuge geleast werden incl. Wartung, so dass auf eigene Werkstätten weitestgehend verzichtet werden kann. Außerdem könnte ein Betreiber seine Busse irgendwo abstellen. Es müssen nicht teure Betriebshöfe sein. So ist es in Villingen-Schwenningen nun sicherlich nicht, aber es obliegt dem Verkehrsunternehmen, für einen Betriebshof einen angemessenen Preis zu kalkulieren. Die Überprüfungen des Angebots haben ergeben, dass es zwar knapp kalkuliert ist, aber nachvollziehbar. Dabei geht es aber nicht nur um die reinen Buskilometerkosten. Der Nahverkehrsplan fordert u.a., dass die Werbung auf den Bussen stark eingeschränkt ist (vgl. Donaubus in Donaueschingen) und dass WLAN in allen Bussen, die zudem durchweg Niederflurbusse sein müssen, vorhanden sein muss. Auch hinsichtlich der Qualifikation der Fahrer sind die Ansprüche im Nahverkehrsplan benannt worden. Ein eigenwirtschaftlich agierender Unternehmer muss gegenüber dem Aufgabenträger versichern, dass er 10 Jahre lang (bzw. so lang wie die Genehmigungsdauer beantragt wurde) die entsprechenden Bedingungen erfüllt.

Bei den dagegenstehenden Erträgen ist das Verkehrsunternehmen an die VSB-Tarife gebunden. Es kann keine eigenen Tarife verlangen. Die dem VSB angehörenden Verkehrsunternehmen (alle im Schwarzwald-Baar-Kreis) füllen in der Summe den Einnahmetopf des VSB, aus welchem wiederum jedes Verkehrsunternehmen einen bestimmten Anteil erhält. Im Falle des VSB war das so, dass im Jahr 1998 (also vor nunmehr 20 Jahren!!!) alle Verkehrsunternehmen ihre Einnahmen testieren ließen und an den VSB abgegeben haben. Entsprechend den Zuführungen aus dem Jahr 1998 an den VSB erhält bislang jedes Verkehrsunternehmen einen festen prozentualen Anteil am Erlös. Wenn ein Verkehrsunternehmen mit der Erlös-Situation nicht zufrieden war, so konnte es einen Antrag auf Überprüfung stellen. Dies hat im VSB bislang nur DB-Regio gemacht, weil die Schwarzwaldbahn im Zuge der Einführung des Stundentakts deutlich stärkere Nachfragen als früher verzeichnet. DB-Regio hat ihre Einnahmesituation im Rahmen einer Überprüfung durch ein einschlägig auf solche Untersuchungen spezialisiertes Büro überprüfen lassen und erhält seither deutlich mehr Einnahmen aus dem VSB-Einnahmetopf, logischerweise ist dafür der Anteil anderer Verkehrsunternehmen entsprechend abgesunken.

Seit rund 10 Jahren drängt der Schwarzwald-Baar-Kreis darauf, dass die Einnahmeverteilung nicht mehr nach Alteinnahme-Anteilen erfolgt sondern dasjenige Unternehmen, welches Fahrgäste befördert, soll die entsprechenden Einnahmen erhalten. Leider verlief der Prozess der Neuaufteilung der Einnahmen ausgesprochen zäh, da es Unternehmen gibt, die fürchten, dass sie weniger bekommen könnten. Es ist sogar eine Art Lagerbildung festgestellt worden: Auf der einen Seite die Busunternehmen, auf der anderen Seite die Schienenunternehmen. Am Beispiel vieler anderer Verbünde wurde nämlich festgestellt, dass die Schiene zu den Gewinnern zählt, die Busunternehmen zu den Verlieren. Insofern wurde keine sonderlich große Aktivität bei der Umstellung der Einnahmeverteilung entwickelt.

Nachdem nunmehr aber die alte ÖPNV-Landschaft vorbei ist und wegen der EU-Regelungen die Ausschreibungen spätestens ab dem 3.12.2019 greifen müssen, kommt es darauf an, dass die Verkehrsunternehmen sowohl ihre Kosten als auch ihre Erträge kalkulieren. Die Bereitschaft zu Veränderungen ist seither gestiegen. Der Umstellungsprozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen sondern noch in vollem Gang.

Die Antwort auf Deine Frage lautet demnach, dass die VGVS zukünftig von höheren Erträgen aus dem VSB-Topf ausgeht als das bislang der Fall war. Man kann sogar sagen, von deutlich höheren Erträgen. Da sich der Einnahmetopf nicht zwangsläufig erhöht, geht dies zu Lasten anderer Verkehrsunternehmen.
Um mal einen Überblick über die seit 20 Jahren eingetretenen Veränderungen im Verkehrsangebot zu erhalten, hatte ich mal für den VSB ausgerechnet, wie sich die Leistungen (gemessen in Fahrplanstunden bei Busunternehmen) entwickelt haben: So hat die VGVS 1998 44.000 Fahrerstunden mit ihren Stadtbussen pro Jahr erbracht, 2018 sind es rund 63.000 Fahrerstunden und ab 2020 sind es ca. 84.000 Fahrerstunden. Das Leistungsangebot wurde bzw. wird also gewaltig erhöht, zumal zusätzlich noch Rufbusse hinzugekommen sind. Gleichzeitig wurden in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche Wohngebiete (z.B. Schilterhäusle, Strangen, Welvert usw.) oder Arbeitsplatzkonzentrationen (Schwarzwald-Baar-Klinikum, Schwarzwald-Baar-Center, Herdenen) zusätzlich bedient. Es ist daher nachvollziehbar, dass ein auf dem Jahr 1998 basierender Alteinnahmeschlüssel nicht länger geeignet ist, als Einnahmeverteilungs-Kriterium zu taugen.

Aber auch andere Verkehrsunternehmen haben ihr Angebot, zumeist mit Hilfe des Landkreises, aufgestockt. Erwähnt sei etwa die Fa. Merz, die auf der Linie 80/81 (nach Tannheim über Pfaffenweiler oder über Rietheim) ihre Fahrplanstunden um 117% aufgestockt hat, also mehr als verdoppelt hat. Zudem betreibt die Fa. Merz in Zusammenarbeit mit der SBG eine durchgängige Buslinie Furtwangen - Vöhrenbach - Villingen, die sich regen Zuspruchs erfreut und zugleich auf der Linie nach Furtwangen auch die nachfragestärkste Rufbuslinie.

Aber auch die Schiene hat deutlich an Attraktivität gewonnen. So konnten Fahrgäste im Jahr 1998 105.877 mal im Schwarzwald-Baar-Kreis in einen Zug steigen. Im Jahr 2018 ist dies bereits 350.032 mal möglich, also 230,6% mal öfters. Dafür ist in erster Linie natürlich der Ringzug mit seinen vielen Halten maßgeblich, aber auch die Schwarzwaldbahn wurde weiter verbessert. Und ab 2020 kommt die Breisgau-S-Bahn hinzu. Gleichzeitig wird in der Südbaar das Busliniennetz völlig neu strukturiert. So etwa verkehren zwischen Zollhaus Bahnhof und Blumberg Ort zukünftig 90 Busse am Tag je Richtung, wodurch der Abbringer vom Zug in die Stadt binnen 10 Minuten ganztägig gesichert sit. Kurz, die stark veränderte Angebotssituation im Schwarzwald-Baar-Kreis zwingt regelrecht zu einer grundlegenden Überarbeitung der herkömmlichen Einnahmeaufteilung.

Es ist nun das Risiko eines Antragstellers, seine ab dem Jahr 2020 zu erlösenden Einnahmen abzuschätzen. Erhält er sie, so läuft es gut, denn dann hat er ja die entsprechende Anzahl Fahrgäste befördert. Verschätzt er sich, so hat er ein finanzielles Problem. Ob die Rechnung der VGVS aufgeht, das kann aus heutiger Sicht nicht definitiv beurteilt werden.

Neben den unmittelbaren Fahrgelderlösen aus der Beförderung von Fahrgästen erhalten die Verkehrsunternehmen nach allgemeinen Vorschriften auch noch weitere Gelder, die aber zulässig sind, weil sie nicht an bestimmte Verkehrsunternehmen gebunden sind sondern jedem Verkehrsunternehmen zustehen. Das sind beispielsweise Ausgleichszahlungen nach § 45a PBefG. Warum sollte denn ein Verkehrsunternehmen dafür gerade stehen, dass die Beförderung von Auszubildenden 25% günstiger als von Erwachsenen sein soll? Entsprechend füllt der Schwarzwald-Baar-Kreis die Einnahmen aus Zeitkarten des Ausbildungsverkehrs auf, bis der Fahrpreis einer Erwachsenen-Zeitkarte erreicht ist. Dies ist seit dem 1.1.18 der Fall (gesetzlich geregelt). Dann gibt es noch weitere Zuschüsse, z.B. für die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten oder für Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverlusten. Und mit all diesen Zahlungen sollte am Ende bei einem eigenwirtschaftlichen Verkehrsangebot mindestens eine schwarze Null stehen.

Nachdem nun die Breisgau-S-Bahn ab Mitte Dezember 19 von Freiburg bis nach Villingen verkehrt, erwartet die VGVS, dass zahlreiche S-Bahn-Fahrgäste mit ihren Bussen im Stadtgebiet von Villingen weiterfahren oder bis nach Schwenningen fahren. Ob die entsprechenden Fahrgastzahlen eintreffen und zu den notwendigen Erlösen führen werden, kann man heute noch nicht sagen. Das ist das unternehmerische Risiko eines Antragstellers.

Jedenfalls haben wir es mit einem vollständigen Wandel zu tun. Bislang war derjenigste der Klügste, der sich nicht bewegt hat sondern seine Kosten minimiert hat. Er hat davon profitiert, dass andere bessere Verkehrsangebote geschaffen haben und damit die VSB-Kasse gefüllt haben. Nunmehr wird dasjenige Unternehmen gewinnen, das gute Angebote vorhält, die auch entsprechend genutzt werden.

Ich hoffe, damit ein wenig zur Aufklärung der erstaunlichen Entwicklung beigetragen zu haben.

Viele Grüße vom Vielfahrer
sBähnle
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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von sBähnle »

Hallo Vielfahrer,

ganz herzlichen Dank für diese sehr, sehr ausführliche Antwort!
Na, da bin ich mal gespannt, ob das für die VGVS gut ausgeht.

Viele Grüße und hoffentlich bis demnächst mal

Stefan
Vielfahrer
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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

die Entscheidung in Sachen eigenwirtschaftlicher Stadtverkehr in Villingen-Schwenningen ist durch den Rückzug des Antrags gefallen, wie der Schwarzwälder Bote heute berichtet. Dies hat zur Folge, dass nunmehr eine erneute Ausschreibung des Stadtverkehrs erfolgen wird müssen. Da die Fristen dafür bis Ende des Jahres zu kurz sind, wird eine Übergangslösung zum Tragen kommen müssen, die entsprechend den Verlautbarungen deutlich besser als der bisherige Fahrplan sein soll, der insbesondere durch erhebliche Einschränkungen während der "Betriebsferien" gekennzeichnet gewesen war und auf vielen Strecken innerhalb der Stadt während der verkehrsschwächeren Zeiten auch nur Rufbusbetrieb vorgesehen hatte.

Im Nahverkehrsplan des Schwarzwald-Baar-Kreises hatte die Stadt ihre Vorstellungen eines attraktiveren Stadtbusses dargelegt. Daraufhin hatten die Verkehrsunternehmen nunmehr offenbar vergeblich versucht, diese Vorstellungen ohne städtische Zuschüsse (in Höhe von 1,8 Mio. €) umzusetzen. Wenn nun nicht der alte Fahrplan, der schon 1,8 Mio. € Defizit verursacht hat, sondern ein verbesserter neuer Fahrplan in den kommenden ca. 2 Jahren (so lange dauert eine rechtskonforme Ausschreibung bis zur Umsetzung) angeboten werden soll, so kostet dies vermutlich die Stadt einen erheblichen jährlichen Zuschuss, über dessen Höhe dem Bericht nach der Stadtrat nach der Sommerpause entscheiden wird.

Der Rückzug des Antrags wird damit begründet, dass die erwarteten Erträge nicht ausreichen, die Kosten zu decken. Offenbar also ist die VGVS von höheren Erträgen (Fahrgeldeinnahmen, Zuschüsse usw.) ausgegangen, die sich zwischenzeitlich zerschlagen haben. Als Ursache werden verschiedene Entwicklungen benannt, z.B. die Einnahmeaufteilung innerhalb des Verbunds, die sich von einer Alteinnahmesicherung (aus 1998, also der Gründerzeit des Verbunds) fortgeschrieben hat und seit 2018 durch eine neue Einnahmeaufteilung abgelöst wurde, die sich an den tatsächlichen Beförderungszahlen orientiert. Hierbei haben Schienenverkehre stark zugelegt, andere Verkehre wurden kräftig ausgebaut (auch der Stadtverkehr), aber relativ verändern sich dadurch die Einnahmeanteile. Eine weitere Ursache liegt in allgemeinen verkehrspolitischen Veränderungen. So wird der § 45a seit 2018 nicht mehr an die Verkehrsunternehmen ausgeschüttet, sondern an die Aufgabenträger, denen frei gestellt ist, wie sie die sog. Kommunalisierungsmittel im Verkehr einsetzen. Sie müssen jedoch mindestens die Rabatte, die der Tarif für Auszubildende/Schüler gegenüber den Erwachsenenpreisen gewährt, in voller Höhe ausgleichen. Ebenso stehen Zuschüsse wie Harmonisierungsverluste und Durchtarifierungsverluste rund 20 Jahre nach Gründung des Verbunds in der Diskussion. Im Ergebnis haben sich also auf der Einnahmeseite offenbar erhebliche Verschiebungen ergeben, die unter dem Strich eine Eigenwirtschaftlichkeit nicht zulassen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Lucian Berndt
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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Lucian Berndt »

Hmm, das klingt interessant. Also wird es eine Übergangslösung ab Dezember für 2 Jahre geben, in welcher der Verkehr neu ausgeschrieben wird (also ab Dezember 2021).

Danke für den Beitrag, finde es schön wenn man mal tiefere Infos lesen kann als in den Zeitungen, vorallem wenn es sich dabei um Themen vor der eigenen Haustür handelt^^

Lg Lucian
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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Lucian Berndt »

*gelöscht*
Zuletzt geändert von Lucian Berndt am Fr 8. Nov 2019, 15:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Vorabbekanntmachung Stadtverkehr Villingen-Schwenningen

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

weiß jemand zufällig, was mit den Auftragsleistungen der SBG vorgesehen ist, die sie bislang für den Stadtverkehr Konstanz erbringt? Die SBG scheint sich ja komplett aus dem Landkreis Konstanz zurückziehen zu wollen/müssen, zumal auch der recht zentral gelegene Betriebshof in Radolfzell aufgegeben wird.

Im Landkreis Tuttlingen fuhr die SBG schon seit einigen Jahren nicht mehr mit eigenen Fahrzeugen. Sie setzte ausschließlich Subunternehmer ein. Bei der Vergabe der Lose haben diese sich meines Wissens in allen Fällen durchgesetzt, d.h. diese erhalten jetzt die Konzessionen auf die Dauer von 8 Jahren. Und interessant wäre es auch zu wissen, an wen die Leistungen zwischen Beuron und Sigmaringen gegangen sind. Bislang war das eine SBG-Konzession, die man also mit Schienenfahrausweisen nutzen konnte.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis hat die SBG ebenfalls alle Lose in der Südbaar an Wettbewerber verloren. Wie ich vernommen habe, wird sie aber mit einem Bus im Auftrag der neuen Betreiber ab Dezember 2019 noch vertreten sein.

Sehr stark vertreten, auch mit eigenen Fahrzeugen, ist die SBG im Landkreis Waldshut. Die Linie Waldshut - Blumberg endet zukünftig allerdings in Fützen an der Kreisgrenze, wobei in Stühlingen vom SBG-Bus auf einen Kleinbus und in Fützen von dem Kleinbus auf einen VGB-Bus umgestiegen werden muss, was für durchgängige Fahrgäste wohl das Aus sein wird.

Viele Grüße vom Vielfahrer, dessen BC 100 durch diese Entwicklungen immer weniger wert wird.
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