"Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Alles zur Strecke Freudenstadt - Eutingen kann hier rein.
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"Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Beitrag von Rangierer »

Heute in der Zeitung:
Freudenstadt. Wer am Hauptbahnhof in Freudenstadt ein dringendes Bedürfnis hat, der muss sich in die Büsche schlagen. Eine öffentliche Toilette gibt es nicht mehr.Eigentlich gab es schon bisher keine richtige öffentliche Toilette, aber das Zeitschriften- und Tabakgeschäft Eckert ermöglichte es gegen Gebühr, die dortige Toilette zu benutzen. Seit das Geschäft seinen Verkaufsraum vergrößert und einen Backshop integriert hat, ist es nicht mehr möglich, diese Toilette zu benutzen. Der Grund dafür sind laut Thorsten Löffler, Geschäftsführer bei der Unternehmensgruppe Eckert, Hygienerichtlinien. Die sanitären Anlagen dürfen nur noch vom Personal des Geschäfts benutzt werden. Da in den Räumen nur Backwaren verkauft werden, aber kein Stehcafé eingerichtet wurde, ist das Unternehmen nicht verpflichtet, eine öffentliche Toilette vorzuhalten. Täglich kommen dennoch Bahnreisende zum Personal des Geschäfts und fragen, wo sie ihr kleines oder großes Geschäft verrichten können. Den Mitarbeitern bleibt nur ein "tut mir leid". Sie verweisen dann an den freundlichen Herrn im Reisezentrum, der Fahrkarten verkauft.

Dieser Mann führt eine Strichliste, wie viel Anfragen es gibt. Rund zehn bis 15 Bahnhofsbesucher erkundigen sich pro Tag nach den Toiletten. Doch auch der Bahnbedienstete kann ihnen nicht weiterhelfen. Zwar gibt es für die Beschäftigten der Bahn eine Toilette, doch auch die ist für die Öffentlichkeit tabu.

"Wenn die Leute Glück haben, steht gerade ein Zug mit Toilette am Bahnsteig", sagt der Mitarbeiter im Reisezentrum. Doch nicht alle Züge, die von und nach Freudenstadt fahren, haben eine Toilette. In den Wagen der Ortenau-S-Bahn gibt es gar keine und in den Stadtbahnen der Albtal-Verkehrsgesellschaft nur teilweise stille Örtchen. Gerade dieser Umstand ist die Ursache, dass viele Fahrgäste, wenn sie aus den Zügen steigen, mal "müssen". Und dann sehen sie am Hauptbahnhof richtig alt aus.

Nur die Regionalzüge der Deutschen Bahn, die alle zwei Stunden verkehren, haben Toiletten eingebaut. Der Bahnangestellte am Schalter gibt zu, dass er ab und zu mal ein Auge zudrückt. Wenn sich das Bedürfnis eines Fahrgasts zum Notfall entwickelt, lässt er ihn schon mal die Bahn-Toilette benutzen. Persönlich findet es der Mitarbeiter nicht gut, dass es im Hauptbahnhof keine Toiletten gibt. "Die Leute beschweren sich jeden Tag", sagt er. Er hat den Missstand seiner Dienststelle in Freiburg gemeldet, die dann angeblich ein Schreiben an die für das Bahnhofsgebäude zuständige Stelle in Karlsruhe verfasst hat. "Was jetzt passiert, weiß ich nicht", so der Bahn-Mitarbeiter. Er erinnert sich, dass es früher im Untergeschoss des Bahnhofs öffentliche Toiletten gab. Damals existierte allerdings auch noch eine Wirtschaft im Hauptbahnhof.

"Der Hauptbahnhof Freudenstadt hat noch nie eine Toilette gehabt", sagt der Pressesprecher der Bahn aus Stuttgart auf Anfrage unserer Zeitung. "Wir können auch keine Toilette vorhalten." Als Grund nennt er die geringe Zahl der Reisenden und somit der Nutzer des stillen Örtchens. Als weiteres Problem sieht die Bahn die Überwachung der sanitären Anlagen. Sie seien ein magischer Anziehungspunkt für Vandalismus, so der Bahnsprecher.

Er sieht daher nicht das Einrichten einer WC-Anlage als finanzielles Problem, sondern die Unterhaltung, die bei vielen Zerstörungen oder Verschmutzungen leicht einen fünfstelligen Betrag pro Monat ausmachen könne. "Es gibt keine Pläne, im Freudenstädter Hauptbahnhof Toiletten einzurichten", betont der Pressesprecher.

Auch Freudenstadts Oberbürgermeister Julian Osswald kennt die Problematik und hat sich bereits vor Ort erkundigt. "Man kann schlecht verlangen, dass die Mieter der Geschäftsfräume Toiletten zur Verfügung stellen", meint er. Auch die Stadt habe keine Lust, Aufgaben der Bahn zu übernehmen. Leidvolle Erfahrungen gebe es mit den öffentlichen Toiletten in der Nähe des Stadtbahnhofs. Man werde versuchen, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, so Osswald. Doch bezüglich der Erfolgsaussichten gibt er zu: "Bei der Bahn bin ich skeptisch."

Kommentar:
Vollmundig wirbt die Deutsche Bahn in vielen Medien mit ihrer Kundenfreundlichkeit. Das mag für die Ballungszentren auch stimmen, doch im ländlichen Raum sieht es anders aus. Was die Kunden zum Beispiel in Freudenstadt geboten bekommen, sind neben den jährlichen Fahrpreiserhöhungen die Schließung des Reisenzentrums am Hauptbahnhof an Sonn- und Feiertagen sowie komplizierte Automaten für die Fahrkarten, die dazu noch oft nicht richtig funktionieren. Dass es im Hauptbahnhof keine öffentliche Toilette gibt, ist den Reisenden bisher gar nicht aufgefallen, weil es ja die Möglichkeit gab, im Zeitschriften- und Tabakgeschäft die Toilette zu benutzen. Diese "nette Toilette" gibt es jetzt nicht mehr. Doch die Bahn fühlt sich als Hausherr scheinbar für das kleine oder große Bedürfnis ihrer Fahrgäste nicht verantwortlich. Kundenfreundlich ist das nicht.
Tobias
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Re: "Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Beitrag von Vielfahrer »

Am Bahnhof/Busbahnhof in Hechingen hat man das Problem gelöst. Dort wurde eine sich selbst reinigende automatische Toilette aufgestellt. In der Schweiz, spontan fällt mir der Bahnhof Turgi ein, sind die Toiletten so beleuchtet, dass irgendwelche Vandalen diesen Ort ganz bestimmt nicht aufsuchen wollen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Sascha
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Re: "Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Beitrag von Sascha »

Hallo,

in Immendingen wurde das Klo ebenfalls entfernt (seit wann?), es stand am ZOB im Eck, beim Gleis 1.

So, wie viele Bahnhofstoiletten aussehen, würde ich nicht draufgehen, aber wenn man muss, muss (M)ann drauf.

Gruß

Sascha :hallo/ade:
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IG-Einheitsloks

Re: "Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Beitrag von IG-Einheitsloks »

Hi,
also als gebürtiger Freudenstädter der noch dazu im Bahnhof wohnte ist die Aussage "Der Bahnhof hatte noch nie eine Toilette" eine Lüge die nicht mehr zu überbieten ist. Früher als der Zeitungsladen noch kleiner war, gabs es wenn man von der Straßenseite in die Halle kam, auf der rechten Seite einen langen Flur. Dort gab es zum Beispiel auch Sitzmöglichkeiten. Am Ende dieses Flures, gab es zwei Treffen abhänge ins UG. Einmal zum Herren und einmal zum Damen WC. Diese wurden aber bereits vor Jahren dicht gemacht. Erst spater entfernte man auch den Flur mit der Erweiterung des Ladengeschäftes.

Ich habe noch ganz alte Aufnahmen da gab es sogar noch ein Toilettenhäusle auf dem Parkplatz wo immer an Weinachten ein großer Tannenbaum stand. Dort fand man auch noch ein großes Stahlgitter im Parkplatz eingearbeitet:-)

Also ich kann da nur den Kopf schütteln;-)

Viele Grüße
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Rangierer
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Re: "Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Beitrag von Rangierer »

In der Toilettendiskussion gibt es wieder Neues:
Schwarzwälder Bote hat geschrieben:Kompromiss in Sachen Bahnhofs-Toilette
Freudenstadt - In die Toiletten-Pläne am Freudenstädter Hauptbahnhof kommt Bewegung: Am Dienstag informierte die Stadtverwaltung die Mitglieder des Ausschuss’ für Verwaltung, Soziales und Tourismus (VTS) darüber, dass sie sich mit der Bahn über die Ausführung geeinigt habe. Die Baukosten werden mit rund 50.000 Euro beziffert.
"Lange und zähe" Verhandlungen mit der Bahn, die nach der Vergrößerung des Verkaufsraums des Zeitungs- und Tabakgeschäfts Eckert und dem damit verbundenen Wegfall des stillen Örtchens eigentlich gar kein Klo mehr am Hauptbahnhof einbauen wollte, haben nun zu einem Ergebnis geführt. Der gefundene Kompromiss sieht laut Stadtverwaltung vor, dass die Investition und Bauausführung der Anlage die DB Station und Service übernimmt. Dafür schultert die Stadt Freudenstadt die Reinigung und den Erhalt der Toiletten. Damit muss die Stadtverwaltung die Kröte "Toiletten-Unterhalt" schlucken, was sie eigentlich vermeiden wollte. Grund hierfür sind Folgekosten, die beispielsweise durch Vandalismus ausgelöst werden, wie er sich beispielsweise in den Toiletten am Stadtbahnhof zeigt. Hier prangen Schmierereien über Pissoirs, eine Hinterlassenschaft, die nur mit großem Arbeitsaufwand wieder entfernt werden kann.
Im Fall der geplanten Toilettenanlage soll die Ausstattung laut Stadtverwaltung allerdings vandalismussicher sein. Zudem halte sich diese Gefahr aufgrund der Lage im Innenbereich des Bahnhofsgebäudes und der geplanten Öffnungszeiten in Grenzen. Die geplante Toilettenanlage wird im ehemaligen Back-Shop des Hauptbahnhofs errichtet.
Damit die Realisierung der Anlage alsbald umgesetzt werden kann, möchte die Stadt die Vereinbarung mit der Bahn in trockenen Tüchern wissen. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es jedoch: Die Personalkosten für die Toilettenreinigung werden sich wohl um rund 30 Prozent erhöhen. Mit einer Aufstockung der Reinigungskräfte rechnet die Verwaltung frühstens ab dem Spätsommer.
Zur Toilette in TFS und in den Zügen rund um Freudenstadt gab es gestern auch einen Leserbrief im Schwabo, den ich aber online nicht finden konnte.

Dafür hier noch etwas weiter östlich:
Schwarzwälder Bote hat geschrieben:Fehlende Toilette sorgt für Unmut
Eutingen - Rohrdorfs Gemeinderat Arne Linau machte unlängst Bürgermeister Armin Jöchle auf die unhaltbaren hygienischen Zustände rings um den Eutinger Bahnhof aufmerksam, die teils so weit führen, dass wildfremde Leute beim Schreiner Peffer läuten und fragen, ob sie bei ihm mal auf die Toilette dürften.
Für Jöchle war dies Grund genug, der Sache nachzugehen, wie er in der jüngsten Gemeinderatssitzung bekannt gab. Das Ergebnis seiner Recherche – die auch auf den Bahnhof Hochdorf zutrifft, der ebenfalls auf der Gemarkung Eutingen liegt – haben ihn veranlasst, mit der DB Station & Service AG Bahnhofsmanagement mit Sitz in Karlsruhe am 14. Februar schriftlichen Kontakt aufzunehmen, um dort auf die schlimmen Zustände auf den beiden Eutinger Bahnhöfen hinzuweisen.
Armin Jöchle schrieb unter anderem: "In letzter Zeit häufen sich wieder die Klagen der Anwohner und Fahrgäste der DB AG über eine fehlende Toilettenanlage am Bahnhof in Eutingen. Als Betreiber des Bahnhofes sind Sie, auch aus Sicht der Fahrgäste und der Anlieger des Bahnhofes, für die unhygienischen Zustände rund um den Bahnhof in Eutingen verantwortlich."
Jöchle weiter: "Nach uns vorliegenden Aussagen und Berichten müssen viele Fahrgäste oft eine Stunde und länger auf ihre Anschlusszüge warten. Die im Bahnhof ›gestrandeten‹ Fahrgäste haben in Ihrem Bahnhof keine Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen. Viele Ihrer Fahr­gäste verrichten ihre Notdurft daher im Freien, zwischen den Autos, an Gebäuden und dergleich. Ne­ben diesen unhygienischen Zuständen ist es in einem modernen und zivilisierten Staat, auch für die Kunden Ihres Unternehmens, mehr als unbefriedigend und beschämend, sich so ver­halten zu müssen."
In einem weiteren Passus seines Schreibens stellt der Schultes klare Forderungen. "Als Betreiber des Umsteigebahnhofs und damit Verursacher dieses hygiene- und men­schenunwürdigen Zustandes bitte ich Sie im Interesse Ihrer Fahrgäste und dem Ansehen der DB AG und der Umwelt, hier Abhilfe zu schaffen.
Als Ordnungsbehörde fordern wir Sie dazu zusätzlich noch auf." Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, schrieb er, dass er das Schreiben auch an Hans-Joachim Fuchtel, Staatssekretär beim Ministerium für Arbeit und Soziales schicke, da von der ge­schilderten Problematik oftmals auch ältere und behinderte Menschen betroffen sind.#
Für Bürgermeister und Gemeinderat sind Interessen der Bürger im Fokus
Der Leiter der Sparte Bahnhofsmanagement, Leonhard Reiß schickte vier Tage später folgende Stellungnahme: "Als Betreiber der Personenbahnhöfe sehen wir uns immer wieder mit dem an die DB gerichteten Wunsch der Kommunen nach Vorhaltung von Toiletten an unseren Stationen konfrontiert. In den meisten Fällen haben sich die Kommunen aber selbst schon von diesen Thema zurückge­zogen.
Ihre Ansicht, die DB sei für das Fehlverhalten von Reisenden (und sicher auch Ihren Bürgern) verantwortlich, können wir allerdings nicht teilen. Wir sehen uns auch keineswegs als Verursa­cher irgendwelcher bedenklichen Hygienezustände an diesem Bahnhof. Zumindest in den Zü­gen der DB werden Toiletten vorgehalten, so dass durchaus eine Wartezeit am Bahnhof bis zum nächsten Zug überbrückt werden kann, ohne das Umfeld des Bahnhofs in Anspruch nehmen zu müssen."
Die verkehrliche Bedeutung von Eutingen mit knapp 2000 Ein- und Aussteigern, erachte Reiß als vergleichbar mit vielen anderen Stationen. Man könne deshalb sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch wegen der fehlenden sozialen Kontrollen keine WC-Anlage realisieren. "Ihrem Wunsch nach Wiederinbe­triebnahme der ehemaligen Toiletten können wir leider nicht nachkommen", so der Bahnmanager.
Auch Jöchles Ankündigung, die Fahrgäste über einen medialen Aufruf aufzu­fordern, sich zu diesem Thema zu äußern, hielt Reiß für sehr befremdlich und wenig hilfreich in der Sache.
Der Eutinger Gemeinderat sieht das völlig anders. Zusammen mit dem Bürgermeister würde man sich sehr dafür interessieren, was die Bevölkerung zu diesem Thema denkt, und man sei gespannt auf diesbezügliche Rückmeldungen, ließ das Gremium verlauten.
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Re: "Wer mal muss, hat ein großes Problem"

Beitrag von Vielfahrer »

Interessante Diskussion im Landkreis Freudenstadt. Ich glaube, dass ich mal den Bürgermeister Armin Jöchle, einen, wie ich aus vielen Besprechungen weiß, der Bahn sehr wohlgesonnener Bürgermeister, darauf aufmerksam machen muss, dass relativ häufig in Zügen der Gäubahn zu lesen ist, dass die Toiletten gestört sind. Vielleicht denkt der Herr Reiß von S&S mal darüber nach. Außerdem, wenn man vom Nagoldtal etwa in Hochdorf in Richtung Eutingen - Stuttgart umsteigen möchte, so muss man in Hochdorf ca. 50 Minuten auf den Anschluss warten. Wäre mir neu, dass man das Toiletten während dieser Zeit in irgendwelchen Zügen nutzen könnte.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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