Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

im Kanton Schaffhausen fährt jetzt ein autonomer Bus im Straßenverkehr. Er bedient die Linie 12 in Neuhausen a. Rheinfall. Sein Einsatz ist werktags von 13 bis 17 Uhr, an Sonntagen von 10 bis 18 Uhr. Derzeit ist die Mitfahrt kostenlos möglich. Der selbstfahrende Bus wird von der Leitstelle der VBSH überwacht. Dazu gehört Standortverfolgung, Sprachkommunikation und Fahrgastinformation. Er teilt sich die Haltestellen mit den ÖPNV-Bussen anderer Linien. In einer späteren Phase wird der autonome Bus (Typ Navya mit 11 Fahrgastplätzen) zwischen dem Neuhauser Ortszentrum und dem Rheinfall pendeln. Der selbstfahrende Minibus ist Teil der ÖV-Strategie im Kanton Schaffhausen. Weitere Bestandteile dieser Strategie sind die schrittweise Umstellung der Dieselbusse auf E-Busse sowie die Umstellung von O-Bussen der Linie 1 auf IMC Trolley-Busse. Grundsätzlich, so der SVSH Geschäftsführer Bruno Schwager, interessiere es die Fahrgäste immer weniger, mit welchen Fahrzeugen sie unterwegs sind. Der Kunde wolle am liebsten an der Haustür abgeholt werden und dann weiter zu Bus, Bahn oder auch mit dem Flugzeug. Die selbstfahrenden Shuttles sollen daher auf Sicht das bestehende ÖPNV-Angebot in Schaffhausen ergänzen. Man denke daran, damit Quartiere zu erschließen, die heute noch nicht bedient werden können. Einige Anfragen, Gebiete mittels selbstfahrenden Shuttles an das Netz anzubinden, gebe es bereits.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Beitrag von Vielfahrer »

Die Verkehrsbetriebe Schaffhausen VBSH haben seit Dienstag dieser Woche auf der zunächst noch recht kurzen Linie 12 im Neuhauser Stadtzentrum einen autonom verkehrenden Bus eingesetzt. Die heutige Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung widmet diesem Angebot einen längeren Artikel. Grund genug, mal diesen Bus zu testen. Das Fahrzeug verfügt über 2 mal 4 Sitzplätze und 3 weitere Klapp-Sitzplätze und kann auch einen Rollstuhl befördern. Bei der Testfahrt, die ich heute zusammen mit einem Forumsmitglied unternommen habe, war das Fahrzeug gut ausgelastet. Die Strecke führt derzeit von der Haltestelle in der Zentralstraße über die Wildenstraße wieder in die Zentralstraße und ist gefühlte 300 Meter lang. Auf dem Innenstadtring fädelt sich der autonome Bus in den regulären Straßenverkehr ein. Zunächst querte ein Schulkind auf einem Zebrastreifen unsere Fahrbahn und der Bus gewährte dem Kind problemlos seinen Weg. Gleich darauf registrierte er einen PKW, der von rechts kommend Vorfahrt hatte und bog nach ihm dann in die Wildenstraße ein. Allerdings bremste der autonome Bus vergleichsweise abrupt. An der Haltestelle in der Wildenstraße stiegen 2 Fahrgäste aus und 5 Touristen ein, die eigentlich zu Fuß zum Rheinfall wollten. Zwei derzeit mitfahrende Begleitpersonen baten die überraschten Touristen in den autonomen Bus und erläuterten ihnen während der Weiterfahrt, wo der Fußweg zum Rheinfall abzweigt und erklärten uns, dass der autonome Bus voraussichtlich ab dem Spätsommer von der Zentralstraße aus direkt bis zum dem Rheinfall gegenüberliegenden Ufer verkehren wird. Derzeit könne die Strecke wegen Straßenbauarbeiten nicht befahren werden. Natürlich fuhr der Bus elektrisch und damit außerordentlich leise.

In den Staaten, die das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr ratifiziert haben, dürfen auf öffentlich zugänglichem Grund keine fahrerlosen Fahrzeuge verkehren. Daher ist bei den Pilotversuchen mit selbstfahrenden Fahrzeugen immer eine Aufsichtsperson an Bord. Soll kein Fahrer mehr im Fahrzeug sein, so muss die entstandene Lücke durch technische und betriebliche Mittel kompensiert werden. Genau dies ist unter anderem ein Ziel des Testbetriebs am Rheinfall.

Dass der Test gerade in Neuhausen stattfindet, hängt damit zusammen, dass in unmittelbarer Nähe die Schweizerische Industrie-Gesellschaft (SIG) lag, die früher Bahnwaggons baute, über 25.000 bereits vor nunmehr 50 Jahren. Im Jahr 2000 übernahm Alstom die SIG-Anteile und stellte fünf Jahre darauf die Drehgestell-Produktion für Eisenbahnkompositionen auf dem SIG-Areal ein. Auf dem Gelände der früheren SIG entwickelt nun der Leitsystemlieferant Trapeze seit mehreren Jahren unter anderem Betriebs- und Leitsysteme für Bus und Bahn und will nun dort ein Kompetenzzentrum für intelligente Mobilität aufbauen. Dafür gründete Trapeze ihr Start-up AMoTech. Seit Sommer 2017 arbeitet es daran, den selbstfahrenden Bus in das Leitsystem der VBSH zu integrieren. Ein Unterfangen, das weltweit einzigartig ist. Am Standort Schaffhausen wird damit den Entwicklern intelligenter Mobilität die Möglichkeit gegeben, ihre Ideen unter realen Bedingungen zu erproben und vorhandenes Know-how mit zukunftsweisenden Komponenten zu verknüpfen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Beitrag von wolfgang65 »

Will jetzt hier nicht besserwisserisch klingen - aber, der Bus ist nicht wirklich autonom. Er kann nicht im eigentlichen Sinne nicht autonom fahren.

Das Teil fährt faktisch nur eine einprogrammierte Strecke ab, und überwacht die Strecke auf Hindernisse. Es gab ja auch schon nette Unfälle mit dem Teil. Weil die Kiste halt nicht versteht wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer auf der Straße rangiert oder ähnliche Geschichten.

Ob solche Teile wirklich auf die Straße gehören ist ne andere Frage - da er mit Lidar bei der geringen Geschwindigkeit andere Objekte relativ gut erkennt, wird er wohl kaum jemand überfahren. Aber Chaos verursachen kann das Teil natürlich wenn es nicht weiter weis. Mal sehen wie lange es geht bis der erste Witzbold da mal die Kiste etwas ärgert.

Grüße

Wolfgang
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Re: Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

heute hatte ich mal wieder die Gelegenheit, mit dem autonomen Bus in Schaffhausen zu fahren. Wir waren mit einer 11-köpfigen Delegation aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und der Stadt Bad Dürrheim bei der Fa. Trapeze Switzerland GmbH eingeladen und konnten sehr viel Neues über Elektrobusse und autonomes Fahren sowie über smarte Mobilitätslösungen insgesamt erfahren.

Um auf den autonomen Bus zurückzukommen: Was Wolfgang geschrieben hat, das ist so. Der Bus fährt bislang exakt, quasi auf den Zentimeter genau, eine vorprogrammierte Strecke. Da der Sommer recht warm war, hat es sogar Spurrillen auf der Fahrbahn gegeben, weil eben die Busse exakt immer die gleiche Strecke fahren. An einem Tag Anfang September konnten 507 Fahrgäste im autonomen Bus registriert werden. Er verkehrt werktags von 13 bis 17 Uhr. An Sonn- und Feiertagen von 9 bis 17 Uhr. Laut den Betreibern hat es bislang aber keine Unfälle bis auf ein angeschlagenes Schienbein gegeben. Das hängt damit zusammen, dass der Bus beim Anfahren in die Busbuchten sich anders verhält wie ein PKW, der nur die Vorderräder verstellen kann. Das Fahrzeug war so nicht ganz an die Kante gefahren und so hatte ein Fahrgast beim Ausstieg sich einen leichten Schaden zugefügt. Ansonsten, so wurde uns berichtet, gab es keine Schäden. Als wir heute gefahren sind, kam aus einer Seitenstraße urplötzlich ein Baufahrzeug heraus, so dass der autonome Bus eine Schnellbremsung machte. Da es im Bus keine Stehplätze gibt, ging das aber noch gut ab. Erläutert wurde uns, dass das Fahrzeug bzw. seine Technik noch nicht optimal ist. Es hätte durchaus bis zum Gefahrenpunkt noch etwas länger fahren können, also nicht so scharf bremsen müssen. Aber dazu dienen ja die Testfahrten. Die Fahrten sind in die Leitstelle der Schaffhauser Verkehrsbetriebe integriert. Dabei funktioniert auch die Anschlusssicherung einwandfrei.

Interessant war die Auskunft, das der von einem französischen Hersteller stammende Bus mit 11 Sitzplätzen ca. 280.000.- € gekostet hat. Die Fa. Trapeze wurde durch ihren CEO Peter Schneck vertreten, der die weltweiten Mobilitätslösungen (Singapur, London, Dubai....) vorstellte und der in Kooperation mit dem Schaffhauser Verkehrsbetrieb für die Ausgestaltung des Angebots vor Ort tätig ist. Schaffhausen wird zukünftig ausschließlich Elektrobusse anschaffen, im Stadt- wie im Regionalverkehr. Die autonomen Busse werden als ergänzende Quartiersbusse geplant, die durch Feinerschließungen die Verkehre auf die regulären Busse und Bahnen bündeln sollen. Trapeze erarbeitet dabei Mobilitätslösungen. Die klare Aussage war dabei, dass bei den Elektrobussen nicht nur ein Bus, sondern auch ein Ladesystem mit gekauft wird. Nach spätestens 5 Jahren sei der Break-even-Point im Vergleich zum konventionellen Dieselbus erreicht. Elektro sei damit preiswerter.
Beeindruckend war, dass beispielsweise die Verkehrsbetriebe in Singapur wissen, wieviele Leute an bestimmten Haltestellen aussteigen. Wenn dann dort ein Hochhaus ist, dann werden über die vernetzte Mobilität einer Leitstelle beispielsweise die Aufzüge in einem nahegelegenen Hochhaus so vorinformiert, dass so viele unten sind, dass die üblicherweise hier eintreffenden Fahrgäste sofort einen Aufzug vorfinden. Mobilität bedeutet dabei, dass die komplette Transportkette von der Wohnung bis zum Ziel, nicht von Haltestelle bis Haltestelle, optimiert wird. Nach den Worten der Schweizer liegen die Deutschen auf diesen Gebieten um Jahre hinter anderen Ländern zurück. Erstaunlicherweise haben die Verkehrsbetriebe auch bei den Fahrern gar keine Probleme bei der Personalakquisition. Es gibt Wartelisten von Fahrern, die bei einem solchen innovativen Verkehrsunternehmen tätig sein wollen. Dabei wären das eher nicht Grenzgänger, die wegen des höheren Lohnniveaus nach Schaffhausen kämen, sondern es wären junge Leute, auch aus dem Züricher Raum, die bei einem innovativen Unternehmen gerne mitarbeiten wollten. Welch riesiger Unterschied zu uns, wo man vielfach hört, dass es einem hoffentlich noch bis zur Rente langen würde.

Die Schweizer haben uns Deutschen sehr viel Mut gemacht, in diese neuen Mobilitätslösungen einzusteigen. Als Strategie wurde dabei gesagt, man solle klein anfangen, sich nicht gleich den komplexen Systemen zuwenden. Man werde Fehler machen, daraus aber lernen und so sukzessive vorankommen. Wichtiges Ziel wird dabei sein, dass die Infrastrukturen (nicht der Betrieb) in öffentlicher Hand sind und nicht Akteuren wie Uber oder Google überlassen werden.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Benutzer 786 gelöscht

Re: Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Beitrag von Benutzer 786 gelöscht »

Vertreter der Stadt Bad Dürrheim, interessant.

Soweit mir bekannt ist, gibt es Überlegungen einen Stadtbus zwischen den Kurkliniken im Süden der Stadt und dem Industriegebiet im Norden zu installieren.
Diese Strecke von ca. 3-4 km wäre dazu eigentlich prädestiniert.
Vielfahrer
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Re: Erster autonomer Bus in der Region unterwegs

Beitrag von Vielfahrer »

Die autonomen Fahrzeuge verkehren mit einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 15 km/h, eignen sich daher nicht für längere Strecken. Haupteinsatzzweck ist die Feinerschließung, um so zusätzliche Kunden an die ÖV-Linien heranzuführen. Bad Dürrheim könnte da in der Tat ein sehr interessantes Lernobjekt sein. Wenn man vom Busbahnhof Bad Dürrheim aus an das Kurgebiet denkt, so fahren dorthin bislang keine Busse, ebenso nicht zum Hüttenbühl. Die Achse Busbahnhof - Adlerplatz - Kur Stift - Gewerbegebiet ist bislang schon gut bedient mit "Dieselbussen" der SBG. Topographisch macht Bad Dürrheim eher keine Probleme. Die autonomen Busse fahren mit elektrischem Antrieb.

Eine Erkenntnis bislang ist, dass durch autonome Fahrzeuge keine Fahrer überflüssig werden, ganz im Gegenteil. Autonome Fahrzeuge verschaffen dem Linienverkehr insgesamt mehr Fahrgäste, sichern also dessen Arbeitsplätze. Die Alternative wäre z.B. Uber. Dadurch werden die Arbeitsplätze des öffentlichen Verkehrs weit stärker bedroht.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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