Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr

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Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr

Beitrag von Vielfahrer »

Der Autor Stefan Hotz von der Neuen Zürcher Zeitung berichtet über eine Auseinandersetzung über die Trassenvergabe:

Die S-Bahn erhält auf der Strecke nach Bülach Vorrang

Der Bund kann im Streit um die Schienenkapazität den behaupteten Bedarf für den Güterverkehr nicht nachweisen

Die Kapazität des Schienennetzes im Raum Zürich ist ausgereizt. Zunehmend kommen sich Regional-, Fern- und Güterverkehr in die Quere. Auf Anfang 2017 hat der Bund das System der Netznutzung geändert. Zuvor hatte der Personenverkehr Vorrang, neu soll sich der Gütertransport gleichberechtigt entwickeln können. Im Raum Zürich kam es deswegen zu einem Konflikt. Während Jahren plante der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), die S 3 ab Dezember 2018, wenn diese nicht mehr ins Limmattal fährt, zu den Hauptverkehrszeiten halbstündlich nach Bülach zu führen. Zusammen mit der S 9 fahren so morgens und abends zwischen Zürich und dem Unterland vier Züge in der Stunde.
Anfang 2018 entschied jedoch das Bundesamt für Verkehr (BAV), auf diesem Streckenabschnitt eine gewisse Anzahl von Trassen für den Güterverkehr zu sichern; unter Trassen versteht man Plätze oder Zeitfenster im Fahrplan. Durch diese Reservierung für Güterzüge hätte die Schienenkapazität für die S 3 nicht gereicht, den Halbstundentakt der S 3 einzuführen. Der Kanton Zürich, dder ZVV und die Stadt Bülach unterbreiteten den Konflikt dem Bundesverwaltungsgericht (BVG). Dieses gab in einer vorsorglichen Maßnahme die umstrittenen Trassen für die Zürcher S-Bahn frei. Deshalb verkehrt die S 3 seit Dezember neu im Unterland.
Nun hat das BVG sein Urteil in der Sache veröffentlicht. Auch darin geben die Richter den Behörden aus Zürich auf der ganzen Linie recht. Das BAV habe bei seinem Entscheid ausschließlich auf die Interessen des Gütertransports abgestellt und eine umfassende Interessenabwägung unterlassen. Diese nimmt sodann das Gericht selber vor. Dabei stellt es aufgrund der eingereichten Unterlagen fest, dass die konkreten Nutzungsinteressen für den Güterverkehr äußerst gering sind. Tatsächlich wurde von sieben strittigen Trassen im fraglichen Streckenabschnitt nur eine beansprucht, und zwar für einen Transport von leeren Güterwagen. Das Gericht stellt fest, dass den konkreten Nutzungsinteressen des regionalen Personenverkehrs ein höheres Gewicht beizumessen ist.
Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass der ZVV den Ausbau des Fahrplanangebots zwischen Zürich und Bülach seit Jahren plante, was vom BAV mitgetragen wurde. Erstmals ist das vertraglich festgehalten in der Vereinbarung vom September 2008 über die der Zürcher Durchmesserlinie. Damit habe sich as BAV verpflichtet, den Halbstundentakt der S 3 für die Fahrt nach Bülach in der Planung anzuerkennen, heißt es in der Urteilsbegründung. Ihr Urteil fällt glasklar aus. Die Verfügung des BAV vom Januar 2018 wird aufgehoben und das Bundesamt angewiesen, der Zürcher S-Bahn für den Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit auf dem Abschnitt zwischen
Zürich Hardbrücke und Bülach die erforderliche Anzahl Trassen zu sichern.
Für das BAV sei das Urteil nicht überraschend ausgefallen, nachdem die Gerichte bereits über die vorsorglichen Maßnahmen zugunsten des Personenverkehrs entschieden hätten, sagt dessen Sprecher Andreas Windlinger auf Anfrage. Man werde die Begründung sorgfältig prüfen, bevor entschieden werde, ob man den Fall an das Bundesgericht weiterziehe. Um die S 3 zwischen Zürich und Bülach dreht sich derzeit der einzige Trassenstreit, der von den Gerichten beurteilt wird. Im Zusammenhang mit dem 2017 eingeführten neuen System der Netznutzung erhält er einen gewissen Präzedenzcharakter. "Für uns geht es um die Frage, ob das neue Instrument so griffig ist, wie die Bundesverwaltung und das Parlament sich das vorgestellt haben", sagt Windlinger.
Er widerspricht dem Vorwurf des Bundesverwaltungsgerichts, das BAV habe keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen. "Diese erfolgte bereits bei der Erarbeitung der Netznutzungspläne, als für jede Strecke detailliert abgewogen wurde, wie viele Trassen an den Personen- und Güterverkehr gehen". Aber warum wird von sieben umstrittenen Trassen effektiv nur eine genutzt? Dass dies aus Sicht der S-Bahn-Nutzer schwer nachvollziehbar sei, könne er verstehen, sagt der BAV-Sprecher. Doch Güterbahnen würden kurzfristig disponieren. Es gehe auch um das Signal, da an den Cargo-Verkehr ausgesandt werde, sagte Windlinger. Aber nur wenn die Bahn auch in der Zukunft freie Fahrwege zusichern könne, sei die Transportwirtschaft bereit, weiterhin auf die Schiene zu setzen.
Für den ZVV hat das Gericht zugunsten der Pendler entschieden. Mit dem Entscheid werde die Planungs- und Investitionssicherheit aller Beteiligten geschützt, schreibt er in einer Mitteilung. Der öffentliche Verkehr sei gerade wegen der teilweise hohen Investitionssummen ein sehr langfristiges Geschäft, was eine sorgfältige und verlässliche Planung erfordere. Der ZVV erinnert daran, dass schon längst die nötigen Züge gekauft worden seien. Die S 3 werde zwichen Hardbrücke und Bülach von den Bahnkunden bereits gut genutzt.

(A-1216/2018, 21. Mai 2019, nicht rechtskräftig)

Viele Grüße vom Vielfahrer
Zuletzt geändert von Vielfahrer am Sa 1. Jun 2019, 13:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr

Beitrag von Villinger »

Da ist Deutschland eindeutig im Vorteil - hier interessiert es niemanden, wenn der Güterzug keinen Platz hat, weil sowieso kaum Verkehr stattfindet. Selbst die Schnellfahrstrecken, die nachts dem Güterverkehr vorgehalten werden, vertragen den ein oder anderen ICE-Umleiter bei Verspätung (planmäßig laufen die nächtlichen ICE fast ausschließlich über Altbaustrecken).

Ausnahme sei hier das Donautal, wodurch sich das Land auf diesem Weg einige Verdichter ab diesem Dezember sparen kann ("Es findet ja Güterverkehr statt").
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Re: Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Fridinger,

ich sehe weniger das Donautal als Problem an. Bezüglich der Gäubahn wäre das der Abschnitt Böblingen - Herrenberg. Hier dürfte in Kürze der ganztägige 15-Minuten-Takt der S 1 kommen, dazu in Zwischenlage zwei MEX-Züge und der IC einmal pro Stunde. Weiter soll eine dritte Regionallinie zunächst aus Stuttgart-Vaihingen nach Horb während der HVZ verkehren, so dass dann sämtliche Trassen zwischen Böblingen und Herrenberg vergeben wären, dem Güterverkehr bliebe nur die Nacht oder das Wochenende.
Wie zu lesen war, plant der Bund die Intensivierung des Güterverkehrs auf der Gäubahn, insbesondere im kombinierten Verkehr, weshalb die Tunnels auf die entsprechende Eckhöhe ausgebaut werden sollen. Irgendwie passt das nicht richtig zusammen. Wenn dann gar zu lesen ist, dass man bei der S-Bahn längerfristig schon einen 10-Minuten-Takt ins Gespräch bringt, wird es auf der Gäubahn noch schwieriger bzw. langsamer. Eigentlich müsste man die Forderung erheben, die S-Bahn (wie auf den Richtungen aus Bietigheim, Waiblingen oder Plochingen) auf eigenen Gleisen fahren zu lassen, sprich die Gleiskapazitäten zwischen Böblingen und Herrenberg zu erweitern.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Re: Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr

Beitrag von KBS720 »

Vielfahrer hat geschrieben: Sa 1. Jun 2019, 13:46Eigentlich müsste man die Forderung erheben, die S-Bahn (wie auf den Richtungen aus Bietigheim, Waiblingen oder Plochingen) auf eigenen Gleisen fahren zu lassen, sprich die Gleiskapazitäten zwischen Böblingen und Herrenberg zu erweitern.
So siehts nämlich aus, es kann nicht sein das der Güterverkehr wegen des Personenverkehr ewig herum steht. Damit macht man diesen unaktraktiv, aber es möchte ja keiner Kohle investieren.

Grüße Andreas
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Re: Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr

Beitrag von wolfgang65 »

Solange sich diese Schere weiter öffnet, kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass die Verkehrsminister den Güterverkehr auf der Bahn steigern wollen.

Und wenn ich dann die Aussage von unserem extrem intelligenten CSU Verkehrsminister höre, dass man eine Vorverlegung der Senkung der Trassenpreise plant, dann ist das doch offensichtlich eher Show. Man steigert zuerst kräftig und senkt danach vermutlich leicht. Kreative Buchführung halt....

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Grüße

Wolfgang
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