3. Singener Bahngipfele

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Vielfahrer
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3. Singener Bahngipfele

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

da mir in Horb der Anschluss an den IC 181 rausgegangen war, bin ich eine Stunde zu spät in Singen angekommen und habe somit den Beginn des 3. Singener Bahngipfeles von Andreas Jung MdB nicht mehr mitgekriegt. Der Hohentwiel-Saal im Singener Rathaus war sehr gut besetzt, so groß war das Interesse aus der gesamten Region bis hin nach Zürich.


Staatssekretär Steffen Bilger war gerade dabei, seine Rede zu beenden, ich habe aber noch mitbekommen, was er zur Gäubahn zu sagen hatte. Er berichtete, dass er froh sei, dass das leider sehr lange anhaltende Problem des Finanzierungsvertrags für den Ausbau Horb – Neckarhausen Anfang April 19 endlich unterschrieben worden wäre. Noch im vergangenen Jahr auf dem 1. Singener Bahngipfele hatte er verkündet, dass dies im 1. Quartal 2019 geschehen werde. Es sind nun ein paar Wochen länger geworden, aber alles ist unterschrieben.

Weiter erläuterte Steffen Bilger, dass der Bund die Mehrwertsteuersenkung bei der Bahn wolle. Während die DB sich darüber gefreut hätte und Bahnchef Lutz gleich damit dringend notwendige Neubestellungen von ICE in die Wege leiten wollte, hatte der Bund darauf bestanden, dass die Mehrwertsteuerreduktion in voller Höhe an die Kunden weitergegeben wird. Immerhin kostet dies 500 Mio. €, die zur Hälfte der Bund und zur anderen Hälfte die Länder tragen müssten. Während der Bund dazu bereit sei, hätten die Länder gemauert. Um überhaupt weiterzukommen, was angesichts der klimapolitischen Rahmenbedingungen ganz dringend notwendig ist, hätte man sich jetzt im Vermittlungsausschuss Bund/Länder darauf geeinigt, dass der Bund die Mehrwertsteuerausfälle alleine trägt. Das Ganze muss aber noch durch das Parlament und wird kurz vor Weihnachten beschlossen werden, um es ab 1. Januar dann umsetzen zu können.


Dann kam er auf das Planungsbeschleunigungsgesetz des Bundes zu sprechen. Weil in anderen Ländern z.B. der Mobilfunkausbau 3-mal schneller vonstatten geht als bei uns, hat sich der Bund das Planungsbeschleunigungsgesetz überlegt. Um Zweifeln gleich entgegenzutreten: Das Planungsbeschleunigungsgesetz lässt allen Gegnern von Planungen ihre Rechte. Aber das Verfahren soll kürzer werden, indem die Gerichte schneller damit befasst werden sollen. Es geht also nicht um die Einschränkung von Rechten, sondern um eine Abkürzung der Verfahren. Die Gäubahn sei im Prinzip ja ein Negativbeispiel, was Planungszeiten betrifft.

Leider hätte es kein Projekt aus Baden-Württemberg in das Planungsbeschleunigungsgesetz bislang geschafft. Aber vom Justizminister Guido Wolf des Landes Baden-Württemberg, zugleich als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gäubahn tätig, sei beantragt worden, den Gäubahnausbau aufzunehmen. Darüber werde im Rechtsausschuss noch im Dezember 2019 entschieden werden. Die Zeichen stünden gut, da zwischen dem Land und dem Bund kein Zweifel daran bestünde, dass der Ausbau der Gäubahn erheblich schneller vonstatten gehen müsse. Überhaupt fand es Steffen Bilger positiv, dass alles, was mit Klimazielen zu tun hätte, jetzt mit Vollgas angegangen werde.

Das Land hätte ja auch zugesagt, die Neigetechnik auf der Gäubahn zu finanzieren. Deshalb könne man nun den Ausbau rasch angehen. Andreas Jung meinte dazu, dass nach dem Aufbau Ost nunmehr der Ausbau Süd folgen müsse.

Für DB-Netz erklärte deren Vertreter Herr Heil, dass im 3. Quartal 2021 mit den Arbeiten für Horb-Neckarhausen begonnen werde (Baufeldfreimachung usw.). Tatsächlich gebaut werden in den folgenden 3 Jahren und mit der Fertigstellung des zweigleisigen Abschnitts sei 2024 zu rechnen.

Andras Jung runzelte ob dieser Zeitspanne schon ein wenig die Stirn, schob aber gleich nach, dass Horb-Neckarhausen ja nicht alles sei. Es gehe um die Singener Kurve, um die Doppelspur Rottweil – Neufra, um die Doppelspur Spaichingen – Rietheim-Weilheim und weitere Beschleunigungsmaßnahmen. Der Bund hätte anstelle der vom Land beantragten 300 Mio. € für die Gäubahn 550 Mio. € bereitgestellt. Das Geld ist vorhanden.
Herr Heil erläuterte, dass man beim Abschnitt Rottweil – Neufra im Augenblick mit der sog. Grundlagenermittlung, also Planungsphase HOAI I und II befasst sei.
Eine Frage ging dann um die länger Unterbrechung oder, wie es von Seiten eines Vertreters des NABU formuliert wurde, möglicherweise um das dauerhafte Ende der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen. Man sei von ½ Jahr ausgegangen und hätte da schon Bauchschmerzen gehabt, irgendwann sei durchgesickert, dass es bis zu 3 Jahren, 5 Jahre oder gar 100 Jahre dauern dürfte, bis man wieder nach Stuttgart Hbf (tief) mit der Gäubahn fahren könne. Das ginge ja gar nicht. Steffen Bilger erklärte dazu, dass er da nicht der richtige Ansprechpartner sei. Der Bund hätte mit S 21 nichts zu tun. Es sei ihm aber wichtig, dass es eine gute Anbindung an den Flughafen geben würde. Er begründete dies u.a. damit, dass Untersuchungen des Flughafens ergeben hätten, dass die meisten Fluggäste aus dem Einzugsgebiet der Gäubahn heute mit dem PKW nach Stuttgart kämen. Mit einer Führung der Gäubahn über den Flughafen erwarte man, dass in erheblichem Umfang vom PKW auf die Schiene umgestiegen würde.

Andreas Jung wollte dann von den Vertretern der DB, den Herrn Heil und Kaupper (DB-Regio) wissen, wie es um die vergleichende Studie zum Neigetechnikeinsatz oder zum konventionellen Verkehr auf der Gäubahn stünde. Dies hätte der Konzernbeauftragte Krenz ja auf dem 2. Singener Bahngipfele für Ende diesen Jahres zugesagt. Krenz war aber wegen einer Terminkollision nicht zum 3. Singener Bahngipfele erschienen. Stattdessen erläuterte Herr Kaupper von DB-Regio, dass die Studie demnächst fertig sei. Es würde aber wohl erst Januar oder Februar werden. Man hätte Gespräche mit der SBB über den künftigen Fahrplan geführt und aus den dort gewonnenen Erkenntnissen würde man dann im Nachgang die dafür erforderliche Infrastruktur definieren. Im 1. Quartal 2020 erfolgen die Festlegungen final. Horb – Neckarhausen werde 2021 begonnen und 2024 abgeschlossen.

In der Folge ging es von mehreren Rednern um die miserable Betriebsqualität auf der Gäubahn. Da niemand von der dafür verantwortlichen DB-Fernverkehrs AG anwesend war, sprach der Vertreter von DB-Regio davon, dass die Gäubahn, wenigstens, was das Netz 3 b betreffe, zu den pünktlichsten Strecken zähle. Für den Fernverkehr könne er leider nicht sprechen. Die Talente auf der Gäubahn würden gut laufen. Zu den Hintergründen, weshalb die Dosto-Züge IC 2 nach wie vor nicht nach Zürich verkehren würden, könne er nichts Erhellendes beitragen außer, dass dies wegen technischer Schwierigkeiten bei der Firma Bombardier begründet sei.
Herr Heil erklärte ferner, dass man sich mit dem Bund darauf geeinigt habe, die Neigetechnik-Infrastruktur auf der Gäubahn nicht abzubauen. Es geht dabei um die Balisen, die nicht außer Betrieb genommen werden sollen. Die Gäubahn sei für Neigetechnik ertüchtigt und solle das auch bleiben.

Herr Kaupper erläuterte, dass er dazu keine Aussagen treffen könne. Das müsse DB-Fernverkehr tun. Er sei für DB-Regio der Vertragsmanager. Der Vertrag mit dem Land über das Netz 3b laufe bis 2025, dann stehe ggf. eine Neuvergabe an.

Andras Jung führt aus, dass man nicht das Thema Gäubahn mit Neigetechnik gleichsetzen solle. Neigetechnik ist auch auf vielen anderen Strecken im Bund ein Thema. Er erinnerte an den Deutschlandtakt, der zwischen Zürich, Stuttgart und Nürnberg eine Neigetechniklinie vorsieht. Wir benötigen auch höhere Stückzahlen, um in wirtschaftlich interessante Bereiche zu kommen.

Patrick Altenburger, der CEO der SBB-Deutschland sprach aus seiner Schweizer Sicht dann auch das Thema Neigetechnik an. Er warnte davor, dass man möglicherweise auf einem toten Gaul reite. Man müsse den Vertrag von Lugano überdenken und sich ggf. in der Zielsetzung neu ausrichten. Die dort niedergelegten 2 ¼ Stunden zwischen Stuttgart und Zürich seien auch mit Neigetechnik gar nicht zu schaffen. Die Schweiz würde ab ca. 2030 aus der Neigetechnik aussteigen. Und Versuche, mit sich neigenden Doppelstockzügen (Wankkompensation) von Bombardier hätten keine guten Ergebnisse gezeigt. Wenn man aber die Verkehrswende schaffen wolle und 100 % mehr Fahrgäste befördern wolle, dann komme man um Doppelstöcker gar nicht herum. Und die neigen sich nun mal nicht.

Andreas Jung, wohnhaft auf der Reichenau, führte aus, dass es nicht nur um die Geschwindigkeit gehen müsse, sondern auch um das Fahrplanangebot insgesamt. Wenn er abends aus dem Fenster über den See schaue, dann würde er in Ermatingen um 0:35 Uhr den letzten Zug der Seelinie der SBB sehen. In Stuttgart hingegen müsse er schon um 21:16 Uhr abfahren, wenn er noch nach Hause wolle. Bei der nächsten Verbindung um 22:16 Uhr werde ihm angezeigt, dass er 3-mal umsteigen müsse und um 7:48 Uhr in Singen eintreffen würde. Das wäre einfach ein miserables Angebot. Die Verbindung um 22:16 Uhr müsse wieder direkt bis an den See geführt werden.

In der Diskussion wurde kritisiert, dass man die IC-Züge an jeder Milchkanne halten lassen würde, andererseits aber Pläne wälzen würde, an Singen vorbei zu fahren. Seitens des Vertreters von Pro Bahn wurde die Führung über den Flughafen negativ gesehen und die Beibehaltung der alten Panoramabahn befürwortet. Einige Redner schlossen sich dem an, weil sie offenbar meinten, am Flughafen umsteigen zu müssen, wenn sie zukünftig nach Stuttgart fahren wollten. Es ist also sehr viel Unkenntnis über die tatsächlichen Zusammenhänge vorhanden. Die Strecke über den Flughafen ist schneller als über die alte Panoramabahn und kein Zug der Gäubahn wird am Flughafen enden.

Seitens von Herrn Heil wurde darauf hingewiesen, dass die Diskussion am Flughafen sehr vielschichtig sei und man hierzu sehr viel mehr wissen müsse, als beim 3. Singener Bahngipfele diskutiert werden könne. Es gäbe da Projektpartner, mit denen Verträge geschlossen wären und die man nicht übergehen könne.

Relativ kurz wurde dann über die anderen Strecken in der Region noch diskutiert. Sehr positiv äußerte sich Herr Heil über den Interessenverband Bodenseegürtelbahn und erwähnte, dass er selbst sehr überrascht gewesen sei, mit welchem Einsatz die Anlieger an dieser Strecke für die Elektrifizierung und Modernisierung kämpfen würden, allen voran der Verbandsdirektor Wilfried Franke vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, zugleich auch der Geschäftsführer des Interessenverbands Bodenseegürtelbahn. Er hätte die kommunale Seite hinter sich gebracht und die hätten die Planungsphase I und II vorfinanziert. DB-Netz habe daraufhin 9 Betriebskonzepte verifiziert, mit und ohne zusätzliche Halte und mit und ohne Halbstundentakte im RB-Verkehr. Das Land hätte die Bodenseegürtelbahn für das Bundes-GVFG angemeldet. Steffen Bilger nannte einen Betrag von 140 Mio. €. Nach den Presseverlautbarungen sagte Herr Heil, dass die Kosten je nach Variante tatsächlich bei 180 bis 330 Mio. € liegen würden. Die Frage war dann, ob der Bund bereit sei, den höheren Betrag auch zu finanzieren. Steffen Bilger sagte dazu ja, wenn der NKU weiterhin > 1,0 sei. Das Projekt der Bodenseegürtelbahn sei ein sehr gutes Projekt aus Bundessicht.
Vom Vertreter des NABU wurde angemerkt, dass es sich ja um eine Bundesbahnstrecke handele und dass es falsch sei, dass deswegen irgendwelche kommunalen Gebietskörperschaften mitfinanzieren müssten. Bei der Straße zahle der Bund doch auch alles alleine. Wenn nun Bund und Land zusammen 95 % bezahlen würden, dann sollten sie doch auch den Rest noch übernehmen. Nichtsdestotrotz wolle er aber das Projekt an sich nicht in Frage stellen und freue sich auch über die 95%ige Förderung.

Von Steffen Bilger wurde dies abgelehnt. Es gäbe zu viele Projekte, wo dann zu Lasten des Bundes auch Unsinn bestellt würde. Dass das erweiterte Bundes-GVFG auf so ein großes Interesse stoße, sei aus Bundessicht sehr erfreulich. Man hätte da offenbar tatsächlich einen Hebel gefunden, der konkrete Maßnahmen für die dringend notwendige Verkehrswende schafft.

Angemahnt wurde vom Vertreter der Stadt Zürich noch mehr Engagement im Güterverkehr. Über kurz oder lang werde der Seehafen Genua, wo Tiefseeschiffe andocken können, eine erheblich höhere Bedeutung für Süddeutschland bekommen als die Häfen in Rotterdam oder an der Nordseeküste. Dann würden sich die Güterströme umorientieren und dafür müsse man jetzt Ausbausorgen tragen.

Vom Singener OB Häussler wurde noch kritisiert, dass es zwar an die 70 Verbindungen zwischen Singen und Freiburg geben würde, aber mit Reisezeiten von 2 ½ bis 3 Stunden könne man nicht mit dem PKW gleichziehen. Dort würde man nur 1 ¼ Stunden rechnen müssen. Ähnlich sei das auch in Richtung Lindau der Fall. Wer die Verkehrswende wolle, der müsse auch schneller werden.

Angeregt wurden in der Diskussion auch noch schnellere Verbindungen dadurch zu schaffen, dass man – wie früher – ggf. von Singen nach Stuttgart nur in Rottweil halten solle. Die Konzeption mit IC-Halten in Gäufelden, Bondorf, Sulz, Oberndorf, Spaichingen oder Engen sei nicht attraktiv.

Weil im Anschluss die Prominenz gleich weiter nach Allensbach musste, wo sie auf Verkehrsminister Winfried Hermann treffen wollte, endete die Sitzung pünktlich um 11:30 Uhr.

In Horb kam der IC-Dosto dann mit 6 Minuten Verspätung an. Allerdings vor dem Bahnhof und ohne die Türen zu öffnen. Irgendjemand hatte dann offenbar den Notruf betätigt, so dass der Lokführer fragte, ob jemand Hilfe brauchen würde. Nachdem sich eine Weile lang dann nichts tat, setzte sich der IC 2 mit 8 Minuten Verspätung wieder in Fahrt. Ob ich da meinen Anschluss in Herrenberg noch kriege, ist fraglich. Auf der Tübinger Strecke ab Horb waren auch größere Verspätungen angezeigt, so dass ich es mal vorzog, über Herrenberg zu fahren. Könnte aber doch schief gehen, da wir den Gegenzug irgendwo bei Eutingen (anstatt Bondorf) gekreuzt haben.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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