Tram-Trains für Regionalstadtbahn Neckar-Alb und Albaufstieg bei Honau

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
Antworten
Vielfahrer
Örtlicher Betriebsleiter
Örtlicher Betriebsleiter
Beiträge: 4786
Registriert: So 1. Aug 2010, 13:32
Wohnort: Tübingen Weststadt

Tram-Trains für Regionalstadtbahn Neckar-Alb und Albaufstieg bei Honau

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

die Landkreise Zollernalbkreis, Reutlingen und Tübingen haben in der zurückliegenden Woche beschlossen, sich an der Beschaffung von 30 sog. Tram-Trains für die Regionalstadtbahn zu beteiligen. Darüber war in verschiedenen Presseberichten viel zu lesen.

Dr. Dirk Seidemann und Gabriel Knerr vom Zweckverband der Regionalstadtbahn referierten noch einmal die Vorteile der Kooperation mit dem Konsortium VDV Tram-Train, in dem Verkehrsbetriebe von Karlsruhe über Chemnitz bis Österreich zusammengeschlossen sind. Das gemeinsame Interesse biete den Partnern Flexibilität, vor allem aber eine hohe Ersparnis bei der Anschaffung der Zwei-System-Fahrzeuge, die sowohl auf herkömmlichen Bahnschienen als auch auf Straßenbahnschienen fahren können. Von den Fraktionen des Reutlinger Kreistags kam viel Lob für diesen weiteren Schritt in Richtung Regionalstadtbahn, zumal die Experten versicherten, dass diese Fahrzeuge auch den Albaufstieg problemlos schaffen werden.

Getagt wurde im Corona-Sicherheitsabstand in der Fahrzeughalle der Straßenmeisterei in Münsingen. Und Fahrzeuge waren es auch, die den Reutlinger Kreistag in der Sitzung am Mittwoch beschäftigten. Konkret ging es um die Beschaffung der ersten 30 Zwei-System-Fahrzeuge, die auf Straßenbahn- und Eisenbahnschienen fahren können. Sie sollen in Modul 1 der Regionalstadtbahn und damit auch auf der Neubaustrecke der Gomaringer Spange bis Ohmenhausen zum Einsatz kommen. Insgesamt werden bei Umsetzung aller Projektteile der Stadtbahn 87 Fahrzeuge benötigt.

„Wir werden unsere Klimaziele nicht erreichen ohne die Schiene“, betonte Landrat Thomas Reumann (Reutlingen). Obwohl noch keine belastbare Bewertung der Regionalstadtbahn vorliege, empfahl er, schon jetzt die Fahrzeuge zu beschaffen. Warum, das erklärte der Geschäftsführer der Regionalstadtbahn Neckar-Alb (RSBNA) Dr. Dirk Seidemann: Diese Fahrzeuge gibt es nicht von der Stange“. Wer jetzt bestelle, erhalte die ersten Fahrzeuge Ende 2025. Er warb zudem für den Eintritt in die Kooperation VDV Tram-Train, der vier weitere Partner angehören, darunter auch die Verkehrsbetriebe von Karlsruhe und die AVG/Land. Dies führe zu einheitlichen Tram-Trains für ganz Baden-Württemberg und ermögliche kostengünstige Sammelbestellungen.

Die Realisierung der Regionalstadtbahn steht und fällt mit der Bezuschussung. Die Voraussetzung für die Förderung ist ein sogenannter Nutzen-Kosten-Indikator (NKI) von mindestens 1,0. Gabriel Garreis, Leiter der Angebotsplanung beim Zweckverband, erläuterte, dass dieser Wert nach gegenwärtigen Berechnungen nicht ganz erreicht werde. Zwar sei die Regionalstadtbahn bereits 2010 bis 2012 positiv bewertet worden, doch mittlerweile hätten sich das Verfahren und die Strukturdaten verändert. Es sei aber möglich, das Projekt noch kundenfreundlicher zu machen. Beispielweise durch Optimierung von Fahrplänen, Haltepunkten und durch Berücksichtigung von Park & Ride-Anlagen.
Im Gremium war die Zustimmung groß. „Die ganze Region wird davon profitieren“, ist nicht nur Kreisrat Rainer Blum (Grüne) überzeugt. Das einzig Ärgerliche sei, fand Mike Münzing (SPD), dass sich der NKI verschlechtert habe. Man solle keine Zeit verlieren mit der Optimierung, empfahl Silke Höflinger (FWV) und Mario Storz (CDU) betonte, auch seine Fraktion werde gespannt die Entwicklung des NKI verfolgen. Die Kooperation sei ein Glücksfall. Das sah auch Thomas Ziegler (Linke) so. Allerdings habe auch keine Region verkehrstechnisch so „hinter dem Mond“ gelebt wie die Region Neckar-Alb. „Die FDP war, ist und wird für die Regionalstadtbahn sein“, versicherte Hagen Kluck. Er warnte aber davor Haltestellen zu reduzieren, um den NKI-Wert zu verbessern:“ Das ist kontraproduktiv“. Schließlich stimmte fast das ganze Gremium fürs „Jahrhundertprojekt“. Danach gab es Beifall. Lediglich die AfD-Räte enthielten sich, weil sie bei der bisherigen Planung nicht dabei waren, wie Ingo Uwe Reetze erläuterte. Auch Jürgen Straub (WIR) enthielt sich., freilich ohne sein Abstimmungsverhalten zu erklären.

Zeitgleich mit dem Reutlinger Gremium beriet auch der Tübinger Kreistag über die Beschaffung der Fahrzeuge.

Nach derzeitigem Planungsstand wird die Regionalstadtbahn einmal 87 solcher Tram-Trains benötigen. Entwickelt werden die Züge nur auf Bestellung, was etwa fünf Jahre dauert. Der Regionalstadtbahn-Zweckverband will mit einem größeren Betreiber-Konsortium zunächst 30 Fahrzeuge in Auftrag geben.

Die Zustimmung des Tübinger Kreistags war am Mittwoch einhellig. Mehrere Kreistagsmitglieder mahnten aber an, sich im Regionalbahn-Zweckverband möglichst bald auf einen Schlüssel zur Kostenverteilung zu einigen. „Das Projekt lebt ja davon, dass man immer eine Hürde nach der anderen nimmt“ sagte der Fraktions-Chef der FWV, Thomas Hölsch. Doch auch wegen der Haushaltsberatungen wolle man „mal ein Gefühl dafür kriegen“, wie och der Kostenanteil der Kommunen ist und wie er verteilt wird.

Der Zweckverband habe einen Vorschlag für Herbst oder spätestens Jahresende versprochen, sagte Landrat Joachim Walter (Tübingen). Das lasse sich jedoch nicht übers Knie brechen: „Der Vorschlag muss ausgeglichen, fair und bis ins letzte nachvollziehbar sein.“ Im Moment werde jedoch die gesamte Arbeitskapazität dafür gebraucht, den „Nutzen-Kosten-Faktor“ des Projekts ins richtige Lot zu bringen, von dem die Förderung des Bundes und des Landes abhängt. Die nötige 1,0 wackle derzeit, „wir sind da noch nicht so sicher wie erhofft“. Er sei jedoch zuversichtlich „Wir haben ja Übung beim Aufräumen von Hindernissen“.

Sich dem Konsortium anzuschließen sie eine „Riesenchance“ – nicht nur wegen der Kostenersparnis, sondern auch wegen des Knowhows. Das Risiko sei überschaubar. Konkret gehe es u sechs Fahrzeuge, auf denen der Regionalstadtbahn-Verband Neckar Alb schlimmstenfalls sitzenbleiben würde, sollte dem Projekt die Förderfähigkeit versagt werden.

Mochte sich auch die Zustimmung des gesamten Kreistags zur Fahrzeugbeschaffung abzeichnen: Zwei Risiken seien nicht zu leugnen, sagte Dietmar Schöning (FDP). Das eine sei, ob die Tübinger beim Bürgerentscheid im Herbst oder eher schon im Frühjahr 2021 die Innenstadtstrecke befürworten: „Ich bin zuversichtlich, aber wissen können wir es nicht“. Das zweite Risiko, die Kosten-Nutzen-Untersuchung, sei „noch viel gravierender“. Werde kein ausreichender Nutzen nachgewiesen, „heißt das, den Aktendeckel zuzumachen“. Gerade als Tübinger mahnte auch Schöning den Kostenschlüssel an. Ohne ihn werde man nicht in der Lage sein, für das Projekt zu werben, und man könne nicht in den Bürgerentscheid gehen.

Den endgültigen Beschluss fällt die Verbandsversammlung am 19. Juni

Ein weiterer Tagesordnungspunkt beim Reutlinger Kreistag war der Albaufstieg der Regionalstadtbahn. Rainer Flotho von der Transport Technologie Consult Karlsruhe stellte die Machbarkeitsstudie für den Abschnitt Reutlingen-Südbahnhof bis Engstingen vor. Das Ergebnis: Der Albaufstieg ist machbar. Der Anschluss von Reutlingen verläuft vom Knotenpunkt Marktstraße als zweigleisige Stadtbahntrasse in Mittellage. In Pfullingen wurden zwei Varianten untersucht: Der zweigleisige Ausbau der einst eingleisigen Bahntrasse kostet rund 89,65 Millionen Euro und erfordere, so Flotho, starke Eingriffe in die Strukturen. Variante zwei durchquert zweigleisig die Innenstadt Pfullingens (Kosten rund 96,62 Mio. Euro). Hier müssten sich Stadtbahn und motorisierter Individualverkehr auf etwa 1,9 Kilometer die Fahrbahn teilen. Der Albaufstieg (bis zu 10 Prozent) könnte auf der historischen Trasse der Zahnradbahn erfolgen: Die Tram-Train-Fahrzeuge schaffen das.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Antworten