27. Sitzung des Interessenverbands Südbahn

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
Antworten
Vielfahrer
Örtlicher Betriebsleiter
Örtlicher Betriebsleiter
Beiträge: 4786
Registriert: So 1. Aug 2010, 13:32
Wohnort: Tübingen Weststadt

27. Sitzung des Interessenverbands Südbahn

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo zusammen,

heute fand in der Gigelberghalle in Biberach die 27. Sitzung des Interessenverbands Südbahn statt. Sie war in 3 Teile gegliedert. Zunächst referierte ein Vertreter von DB-Netz über den Stand der Elektrifizierungsarbeiten entlang der Südbahn. Wie man ja unschwer feststellen kann, stehen bald alle Masten und bald hängt auch über all der Fahrdraht. Trotzdem dauert es noch ein gutes Jahr, bis die Strecke tatsächlich elektrisch befahren werden kann, weil eine Unzahl von „Kleinigkeiten“ noch durchzuführen ist, man also beispielsweise nicht einfach den Schalter umlegen und damit den Fahrdraht unter Strom setzen kann, sondern Abschnitt für Abschnitt die einzelnen Bereiche hochfahren muss. Dieser Prozess wird, beginnend Mitte nächsten Jahres, ca. 1 bis 2 Monate dauern. Es müssen Abnahmen und Feinjustierungen usw. vorgenommen werden und der Zeitplan bis zur Inbetriebnahme im Dezember 2021 ist eng, wird aber geschafft. Der Vertreter von DB-Netz zog als Beispiel einen Vergleich vom Hausbau herbei. Wenn das Haus gebaut ist, das Dach und die Fenster drauf sind, kann man natürlich noch nicht einziehen, erst dann, wenn alle Installationen usw. abschlossen sind und die letzten Maler ihre Arbeiten beendet hätten. So etwa müsse man sich die Elektrifizierung einer 120 km langen Strecke vorstellen. Insgesamt wurden 253 km Oberleitung gezogen, über 4000 Masten gesetzt und es wurden auch 38 Bahnübergänge umgebaut. Normalerweise sind Bahnübergangssanierungen schon für sich alleine einzelne zeitaufwändige Projekte, die hier mal so nebenbei im Rahmen einer Elektrifizierung mitzuerledigen waren. 35 Brücken mussten umgebaut werden, um entsprechende Durchfahrtshöhen für den Fahrdraht zu erzielen, darunter so bekannte Projekte wie der Abriss der Argenbrücke bei Langenargen und der Ersatz durch eine neue Konstruktion.
Aber die beste Botschaft ist gewesen, dass alles zeitgerecht fertig werden wird. Ebenso wird der elektrische Betrieb durchgehend bis Lindau aufgenommen. Die Gerichtsverhandlungen wegen der Klage gegen die Elektrifizierung haben stattgefunden. Die DB-Netz hat das Verfahren gewonnen, das schriftliche Urteil allerdings steht noch aus.

Danach kam das Ministerium für Verkehr zu Wort. Herr Hickmann erläuterte in seinem Beitrag die Grundprinzipien des zukünftigen Verkehrsangebots auf der Südbahn und ging auch darauf ein, dass das eigentliche Ziel noch nicht ab Ende 2021 erreicht wird, da nach den Erkenntnissen des Ministeriums S 21 Ende 2025 in Betrieb gehen wird, zeitgleich mit der Neubaustrecke Stuttgart – Wendlingen. Ab Ende 2022 wird nur der Abschnitt Wendlingen – Ulm incl. Bahnhof Merklingen in Betrieb gehen, die über die Neubaustrecke verkehrenden IRE-Züge werden in Wendlingen enden und in der Interimszeit bis 2025 einen Umstieg auf die von Tübingen nach Stuttgart fahrenden Züge erfordern.
Ab Ende 2025 dann kann das Betriebskonzept so umgesetzt werden, wie ursprünglich geplant. Es werden dann aber weitere Veränderungen bis ins Jahr 2030 und später kommen, da etwa die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke oder der Bodenseegürtelbahn usw. sich auf das Fahrplangefüge auswirken werden.

Details zum Fahrplan wurden dann vom Fahrplanchef der NVBW, Herrn Maier und von Mitarbeitern des Verkehrsministeriums und der NVBW erläutert. Was genau hiervon nach außen kommuniziert wird, wird noch abgeklärt, zumal es sich ja nur um Übergangsverträge handelt und die eigentlichen Leistungen ab 2025 noch auszuschreiben sind. Die generelle Botschaft aber war, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Züge elektrisch verkehren werden. Unter dem Strich jedoch kann man sagen, dass die vielen Erwartungen, die die Anlieger der Südbahn an die Elektrifizierung geknüpft haben, ziemlich vollständig erfüllt werden.

In einem dritten Punkt kam der frühere Konzernbevollmächtigte für Baden-Württemberg, Herr Ekkehard Fricke zu Wort. In neuer Funktion als Projektleiter für die Inbetriebnahme von Neubaustecken und anderen Großprojekten der DB erläuterte Herr Ficke die Zusammenhänge zwischen S 21, der Nordzufahrt mit einem neuen Tunnel (Fahrzeitverkürzung Mannheim – Stuttgart um 7 Minuten), der Digitalisierung des Knotens Stuttgart und auch der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm. Hier gab es die klare Auskunft, dass die Talbrücke bei Wiesensteig bis Ende 2022 fertig werden wird, also zweigleisig. Bislang endet der Überbau der 2. Brücke auf halber Strecke. Er erläuterte, welche Fernverkehrslinien zukünftig über die Neubaustrecke verkehren werden und welche weiterhin im Filstal über Göppingen – Geislingen verbleiben. Das alles war anschaulich und gut nachvollziehbar dargestellt. Auch ging er auf den Deutschlandtakt ein, dessen 3. Entwurf nicht vollständig kompatibel mit den real umgesetzten Taktverkehren auf der Südbahn ist. Fricke meinte hierzu, dass es beim 3. Entwurf um ein Zielkonzept 2030 ging und man ja am Beispiel der Pandemie sehen könnte, was so alles bis dahin noch passieren kann. Es kam allerdings auch die Aussage, dass das Zugpaar IC 118/119 weiterhin über die Südbahn verkehren werde.

In den kommenden Tagen wird es zur Sitzung eine offizielle Pressemitteilung geben, aus welcher dann weitere Details entnommen werden können.

Viele Grüße vom Vielfahrer (aus Pfullendorf nach der Fahrt mit der Räuberbahn)
Benutzeravatar
Villinger
Fahrdiensleiter
Fahrdiensleiter
Beiträge: 3276
Registriert: Sa 18. Okt 2008, 20:25
Wohnort: Villingen im Schwarzwald
Alter: 27

Re: 27. Sitzung des Interessenverbands Südbahn

Beitrag von Villinger »

Danke für die Berichterstattung. Einigermaßen traurig finde ich, dass die Strecke nach teurem Ausbau weiterhin kein zusätzliches Fernverkehrsangebot bekommen wird. Bundestagsanfragen der Opposition an das BMVI haben zur Antwort geführt, dass dies aktuell nicht geplant werde. Es wird hier also weiterhin an einem starken Potenzial vorbeigefahren, zumal Durchbindungen von Ulm bis Österreich auch das Angebot aus dem gesamten Südwesten Richtung Österreich verbessern könnten. Heute ist es eine ewige Fahrerei mit z. B. Regionalbahnen bis Lindau, ehe ein REX oder S-Bahn nach Feldkirch/Bludenz Anschluss zum Fernzug über den Arlberg hinweg bietet. Da könnte ein Express Ulm-Bludenz, der in Friedrichshafen einen Express aus Basel/Stuttgart via Gäubahn aufnimmt, das ganze erheblich aufwerten. Aus unserer Region Richtung Innsbruck fährt man aktuell am besten/komfortabelsten über Ulm-München bzw. über Zürich.

Vor mehreren Jahren wurde eine massive Angebotsausweitung mit der Lieferung weiterer IC2-Züge bekanntgegeben, u. a. vertaktete IC-Linien Bamberg-Würzburg-Stuttgart-Tübingen und Saarbrücken-Stuttgart-Lindau mit Fahrtaufnahme ab 2028. Ich fange dann mal mit Warten an.
Bild Aus dem Fridinger wurde der Villinger Bild
Vielfahrer
Örtlicher Betriebsleiter
Örtlicher Betriebsleiter
Beiträge: 4786
Registriert: So 1. Aug 2010, 13:32
Wohnort: Tübingen Weststadt

Re: 27. Sitzung des Interessenverbands Südbahn

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Fridinger,

auf der Südbahn, so könnte ich mir vorstellen, macht ein zusätzliches IC-Fahrtenpaar keine Probleme, da die Strecke ja zweigleisig ist. Aber im Abschnitt Friedrichshafen - Lindau-Reutin und auch noch ein kurzes Stück vor Bregenz ist die Strecke eingleisig. Irgendwo ist da die Leistungsfähigkeit der östlichen Bodenseegürtelbahn trotz etlicher vorhandener Kreuzungsbahnhöfe erschöpft, da sich ja die unterschiedlichen Systeme kreuzen, weiter Eigenkreuzungen usw. stattfinden. Das geht dann zu Lasten des Takts oder gibt "Umlaufsalat" mit unwirtschaftlichen Folgen und Anschlussverlusten. Die Verbindungen nach Vorarlberg werden aber sehr gut funktionieren, zumindest ab Sigmaringen über Aulendorf - Reutin. Erheblich schwieriger wird es mit den Regionalbahnen werden. Dies war auch schon zu Zeiten der regelmäßigen Stakeholder-Gespräche im Zusammenhang mit der ABS 48 München - Lindau zu spüren. Die Planungen im Dreieck Reutin - Inselbahnhof - Aeschach sind ausgesprochen anspruchsvoll. Es gibt da aber im Gleisdreieck eine Siedlung, die nur über den Bahnübergang Hasenweidweg (liegt an der doppelspurigen Verbindungskurve Inselbf - Reutin) mit der Innenstadt verbunden ist. Wenn alle Züge, die die BEG bestellen wollte, gefahren würden, würde der Bahnübergang die meiste Zeit geschlossen sein. Deshalb gab es vom EBA, wenn ich das richtig mitgekriegt habe, die Auflage, nicht mehr Züge als heute über diese Kurve zu fahren, d.h. es können nur die entfallenden EC-Züge ersetzt werden. Dies ist aber alleine schon mit einer Linie aus Kempten nach Lindau erledigt, die ja erst nach Reutin zur Anschlussherstellung Kempten in Richtung Zürich bzw. umgekehrt fährt und dann zum Inselbahnhof. Andere Züge, z.B. von Stuttgart nach Reutin, können im Nachlauf nicht auf die Insel gefahren werden, auch nicht leer. Das führt u.a. im kommenden Jahr dazu, dass die RE der Südbahn, die ja noch mit Diesel verkehren, nicht nach Reutin verkehren können, wo die guten Eurocity-Anschlüsse nach München bzw. nach Vorarlberg erreicht werden könnten, sondern weiterhin auf die Insel müssen, damit man die Loks dort auch "betanken" kann. Das Jahr 2021 wird also recht harzig im Raum Lindau. Es bessert sich, wenn die Bodenseegürtelbahn dann elektrisch betrieben wird und durchgreifend erst dann, wenn der Bahnübergang beseitigt ist, was aber auch keine kurzfristige Sache ist. Man muss sich da in die neue Infrastruktur im Knoten Lindau mal richtig eindenken, dann erkennt man relativ rasch, warum nicht alles so klappt, wie man sich dies eigentlich wünschen müsste.

So sind in den letzten Tagen wohl Informationen durchgesickert, dass sich die Verbindungen etwa von Nonnenhorn oder Wasserburg nach München gegenüber dem Status quo deutlich verschlechtern würden. Dies ist wohl tatsächlich so, weil der RE aus Stuttgart im kommenden Jahr eben nicht nach Reutin verkehren kann, wo die Fernzüge nach München halten. Es wird sich aber ein Jahr später dann durchgreifend verbessern. Die RB wiederum von Friedrichshafen nach Lindau fahren planmäßig zum Inselbahnhof, verpassen dort aber die Vorarlberger S-Bahn. Normalerweise müsste man sie dann eigentlich nach Reutin fahren, dann aber wäre die Insel, die touristisch schon ein Highlight ist, komplett aus Richtung Friedrichshafen abgehängt, was es ja auch nicht sein kann.

Ein weiteres Highlight stellt der Bahnhof Aulendorf dar. Auch hier ist die Infrastruktur (Bahnsteigkanten) alles andere als üppig.

Am Rande der Sitzung wurde auch deutlich, dass es eine positive Entwicklung in Sachen zusätzliche Halte zwischen Ummendorf und Bad Schussenried gibt. Diese sind, wie seitens des Vertreters des Landkreises Biberach berichtet wurde, fahrplantechnisch bei den Fällen unterzubringen, bei denen sich tatsächlich eine deutliche Nachfrage erwarten lässt. Damit wird die Regionalbahn Aulendorf - Ulm, ein Bestandteil der Regio-S-Bahn Donau-Iller, sinnvoll gestärkt. Es hat dann tatsächlich mal wieder über 25 Jahre gedauert zwischen dem ersten Anlauf und der nunmehr gegebenen Möglichkeit, diese Halte auch einzurichten. Damals hatten die Gutachter im Zusammenhang mit der Reaktivierung der Strecke Laupheim West - Laupheim Stadt sowohl die inzwischen realisierte Südkurve Laupheim als auch die Reaktivierung von Ummendorf, Schweinhausen, Hochdorf, Essendorf und Winterstettenstadt vorgeschlagen, ebenso war damals auch die Anbindung von Bad Schussenried Stadt noch im Gespräch gewesen, was ja vorübergehend zur Landesausstellung in Bad Schussenried ja auch gefahren wurde. Inzwischen aber muss man das leider abhaken.

Sehr positiv übrigens ist die Entwicklung in der Stadt Biberach/Riß. Hier wird der ÖV stark auf den für die vielen Pendler wichtigen Bahnhof ausgerichtet. Der heutige ZOB am Bahnhof Biberach bleibt zukünftig dem deutlich intensivierten Stadtbus vorbehalten. Der Regionalverkehr erhält einen eigenen Busbahnhof nördlich des Bahnhofs, wo früher die Güterschuppen waren. Auf der anderen Seite, also östlich der Bahngleise, wird über die Unterführung ein großes Parkhaus angeschlossen. Damit aber nicht genug. Der Bahnhof selbst wird zur Mobilitätsdrehscheibe. Hier wird man E-Bikes mieten können, es gibt Ladestationen für E-Car-Sharing-Fahrzeuge, im Bahnhof Mobilitätsberatung usw. Der Stadtrat von Biberach/Riß hat sich dazu entschlossen, dem ÖV im Sinne des Klimawandels einen hohen Stellenwert zuzumessen. Wenn ich mir da mal so die Bahnhöfe in der Ringzug-Region anschaue, Villingen-Schwenningen, Rottweil oder Tuttlingen (noch), so fallen die da krass ab.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Antworten