Daten zum ticketfreien Nahverkehr in Tübingen

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Daten zum ticketfreien Nahverkehr in Tübingen

Beitrag von Vielfahrer »

Dieser Tage wurden erstmals Nutzerdaten zum ticketfreien samstäglichen Nahverkehr in der Stadt Tübingen publik. An allen Samstagen kann der Tübinger Stadtverkehr (einschließlich der in der Stadt verkehrenden regionalen Züge wie Ammertalbahn) kostenlos im Stadtgebiet von jedermann genutzt werden. Waren im Jahr 2017 durchschnittlich noch 32.000 Fahrgäste je Samstag unterwegs (Tübingen ist minimal größer als Villingen-Schwenningen), so stieg die Zahl der Nutzer inzwischen auf 42.000 pro Samstag an. Die Zahlen werden mit automatischen Fahrgastzähleinrichtungen ermittelt. Durch den kostenfreien Nahverkehr sind somit je Samstag etwa 10.000 Fahrgäste zusätzlich in Tübingen unterwegs. Gleichzeitig weist die Dauerzählstelle für den Autoverkehr in der Tübinger Mühlstraße einen Rückgang von 8 Prozent an Samstagen auf. Interessanterweise gibt es am Schloßbergtunnel, der nur für Fußgänger und Fahrradfahrer nutzbar ist und an der Steinlach-Unterführung in der Nähe des Hauptbahnhofs zwei Zählstellen für den Fahrradverkehr. In absoluten Zahlen stieg am Schloßbergtunnel die Zahl der Radfahrer von 2.900 auf 3.000 je Samstag an, in der Steinlach-Unterführung waren es 5.300 anstatt zuvor 5.150. Laut OB Boris Palmer wird damit deutlich, dass ein Großteil der 10.000 neuen Fahrgäste auf Verlagerungen aus dem Autoverkehr beruht. Ein Rückgang beim Fahrradverkehr ist nicht eingetreten. Fußgänger sind nicht in relevanter Zahl auf den Stadtverkehr verlagert worden. Die Analyse der Fußwege zeigt klar, dass sie meistens so kurz sind, dass eine Busfahrt kaum einen Zeitvorteil erbringt. Zudem verlaufen sie nicht unmittelbar parallel. "Der kostenfreie Samstag ist ein großer Fortschritt für die Luftreinhaltung und Klimaschutz" sagt Boris Palmer. Ob sich dies auch an Werktagen so einstellt, sollte es zu einer Ausdehung des ticketfreien Angebots kommen?

Unter dem Strich muss man sich aber mal vorstellen, dass in der Stadt Tübingen an einem Samstag 42.000 Nutzer im Binnenverkehr innerhalb der Stadt gezählt werden. Beispielsweise ist die Stadt Donaueschingen rund 5 mal kleiner. Nach Angaben der Verkehrsgesellschaft Bregtal VGB, die in Donaueschingen den Stadtverkehr betreibt, wurden im ersten Quartal 2019, also in ca. 90 Tagen 3.865 Einzelfahrscheine, 2.166 Kinder-Einzelfahrscheine und 960 Tageskarten verkauf, natürlich auch noch Schülermonatskarten, Wochenkarten usw. Aber ohne den Schülerverkehr dürften es nicht viel mehr als 100 Fahrgäste pro Tag gewesen sein. Dies heißt, dass die Nutzung des städtischen Verkehrs in Tübingen pro Einwohner mindestens 100 mal häufiger ist. Das Parken in der Innenstadt ist allerdings in Tübingen auch nicht ganz billig. Ab 3.-€ die Stunde ist man dabei, während es in Donaueschingen meines Wissens kostenlos möglich ist, dafür der Stadtbus richtig was kostet.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Tannenrainer
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Re: Daten zum ticketfreien Nahverkehr in Tübingen

Beitrag von Tannenrainer »

Guten Morgen,

ich bekomme die stetige Weiterentwicklung des ÖPNV in Tübingen in den letzten Jahrzehnten hautnah mit und bin selbst immer wieder erstaunt, welche Fahrgastmassen die Busse in dieser doch recht überschaubaren Stadt transportieren...

Auch, was sich alltäglich vom zentralen Omnibusbahnhof (Europaplatz) über die Neckarbrücke, Mühlstraße ins Univiertel abspielt bringt mich nach wie vor zum Staunen und es kann objektiv eigentlich gar keine Frage sein, ob die Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn nun sinnvoll ist oder nicht, denn der weitere Ausbau des ÖPNV in Tübingen nur mittels Omnibussen wird m.E. nach nahezu unmöglich sein...

Die ticketfreie Nutzung des ÖPNV in Tübingen führt mittlerweile schon dazu, daß auf Linien wie beispielsweise "meiner" hoch frequentierten Linie 18, welche aus dem Raum Rottenburg über den Stadtteil Hirschau nach Tübingen führt, nun auch samstags für gewöhnlich Gelenkbusse eingesetzt werden, um dem Fahrgastaufkommen (insbesondere eben ab Hirschau) gerecht zu werden...

Auf der Ammertalbahn wird samstags nun vermehrt Unterjesingen als geeigneter Park&Ride-Bahnhof angesteuert, anstatt mit dem PKW verzweifelt in Tübingen einen Parkplatz zu finden (und dann teuer zu bezahlen)...
So auch unser örtlicher Musikverein, der letzten Samstag zum Stocherkahnausflug nach Tübingen mit rund 30 Teilnehmern eben ab Unterjesingen die Ammertalbahn nutzte (anstatt entweder mit Pkws durchgehend nach Tübingen zu fahren oder alternativ ab Oberndorf mit dem Bus und damit zwei naldo-Waben berappen zu müssen)...

Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich das Thema des ticketfreien ÖPNV weiterentwickelt, wobei ich als seit Jahrzehnten zahlender Fahrgast auch ein wenig skeptisch bin, ob das grundsätzlich der richtige Weg ist, vielmehr bin ich der Meinung, daß der hochsubventionierte Autoverkehr nach wie vor viel zu günstig zu haben ist und der MIV viel stärker an all den immensen Kosten und v.a. auch Folgekosten beteiligt werden müßte...

Aber dieses Faß mache ich jetzt mal lieber nicht auf, sonst ernte ich hier noch einen samstäglichen Shitstorm all der eingefleischten Autofahrer, die sich dann wieder darauf berufen, daß es im ländlichen Raum nun mal nicht anders gehen würde (wobei z.B. der hiesige Landkreis Tübingen, der durchaus auch ziemlich ländlich geprägt ist, ein gutes Beispiel dafür ist, daß das sehr wohl geht, wenn Kreis und Kommunen sich ein entsprechendes Angebot im ÖPNV finanziell leisten wollen)...

Gruß
Tannenrainer
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