Parken ist viel zu billig
Verfasst: Mo 3. Jan 2022, 15:00
Hallo,
die Südwest-Presse aus Ulm hat mit dem für die Themen Bauen und Verkehr zuständigen Bürgermeister Tim von Winning (früher Tübingen) ein interessantes Interview zum Thema "Parken" geführt, welches absolut lesenswert ist. Ich stelle es deshalb auszugsweise hier ins Forum.
Kaum ein Thema erregt so die Gemüter wie das Parken. Es fehlen Parkplätze, und sie sind zu teuer, klagen viele. Der Ulmer Bürgermeister Tim von Winning sieht das ganz anders.
Vom ehemaligen Stuttgarter OB Manfred Rommel soll der Satz stammen: „Des Oberbürgermeisters täglich Brot ist und bleibt der Hundekot.“ Der Ulmer Bürgermeister Tim von Winning, zuständig unter anderem für Bauen und Verkehr, hat ihn abgewandelt: „Des Bürgermeisters täglich Brot ist und bleibt die Parkplatznot.“
Herr von Winning, Parken ist ein heißes Thema...
Tim von Winning: Erstaunlicherweise eines der prägnantesten meines Berufslebens.
Inwiefern?
Geschätzt ein Viertel aller Briefe, die bei mir eingehen, drehen sich darum. Das ist verrückt in einer Stadt wie Ulm, wo meines Erachtens andere Themen viel wichtiger sein müssten. Aber Parken erregt offensichtlich die Gemüter und verursacht viel Ärger.
Weil etliche Menschen die Erfahrung machen: Es fehlen Parkplätze.
Ja, das Thema betrifft viele. Und zwar überall dort, wo der Parkdruck groß ist, also in den dichter besiedelten Teilen der Stadt und der Ortsteile. Die meisten Briefe kommen aus der Weststadt und vom Eselsberg, wo die Mieten für Tiefgaragenstellplätze noch deutlich niedriger sind als in der Innenstadt. Aber wir sind es gewohnt, dass die öffentliche Hand Parkplätze zur Verfügung stellt. Wir sind es gewohnt, an der Straße zu parken. Es herrscht eher das Gefühl vor: Die Straße gehört den Autofahrenden. Daraus ergibt sich der Anspruch, die Stadt müsse etwas tun, um mehr Parkplätze zu schaffen.
Realistische Bepreisung der Parkplätze
Und Sie meinen: Das muss sie nicht?
Straßen sind öffentlicher Raum. Also Raum, der für alle da ist, nicht nur fürs Fahren und Abstellen von Fahrzeugen. Im öffentlichen Raum geht es generell um verschiedene Bedürfnisse, um Begrünung, Aufenthaltsqualität, Wohnen und die Qualität des Wohnens.
Für einige gehört zur Qualität des Wohnens ein Parkplatz vor der Haustür oder zumindest in der Nähe dazu.
Das System des motorisierten Individualverkehrs ist extrem ineffizient. Ein Auto steht 95 Prozent der Zeit still. Unser Autoverkehr funktioniert nur, wenn es freie Parkplätze gibt. Die meisten Menschen fahren ja, weil sie etwas erledigen möchten. Sie brauchen am Zielort einen Parkplatz. Der am Herkunftsort bleibt dann meist frei. Damit dieses System funktioniert, brauchen wir einen extremen Überhang an Parkplätzen. In Deutschland gibt es etwa 65 Millionen Fahrzeuge und gut 160 Millionen Parkplätze. An diesen Zahlen zeigt sich die Ineffizienz des Systems besonders.
Sind öffentliche Parkplätze zu billig?
Für die Nutzer auf jeden Fall. Für die, die sie bauen, nicht. Wir sind es gewohnt, dass für öffentliche Parkplätze die Allgemeinheit bezahlt – auch die, die gar kein Auto haben. Wir verschleiern die Kosten, es gibt keine Transparenz.
Ulm hat zuletzt die Gebühren an oberirdischen Parkplätzen erhöht.
Das Parken in den Tiefgaragen ist jetzt günstiger als oberirdisch. Wir wollen einen Anreiz schaffen, in die Parkhäuser zu fahren.
Ab Sommer soll in der Innenstadt das Mischparken gelten. Was heißt das für Bewohner und Besucher?
Die Parkplätze stehen dann rund um die Uhr jeden Tag allen zur Verfügung. Wenn es weniger reservierte Parkplätze für einzelne Nutzergruppen gibt, können sie viel effizienter belegt werden: Es gibt für alle mehr Optionen und weniger Suchverkehr. Es ist im Grundsatz eine Art von Sharing, das bestehende Angebot kann besser genutzt werden. Das bringt mehr Menschen etwas, und alle Nutzer werden gleich behandelt.
300 Euro Jahresgebühr sind noch zu wenig
Die Jahresgebühr für Anwohnerparkausweise soll deutlich steigen.
Mischparken und teurere Anwohnerparkausweise gehören zusammen, nur in der Kombination ist das richtig. Es wäre unfair, wenn die Anwohnerparkausweise weiter nur 30,70 Euro pro Jahr kosten würden. Das würde die Besucher der Innenstadt benachteiligen. Die Anwohnerparkausweise kosten seit Anfang der 90er Jahre gleich viel. Es waren mal 60 Mark, die wurden einfach in Euro umgerechnet.
Sie traten dafür ein, für Anwohnerparkausweise 300 Euro zu verlangen. Stehen Sie noch dazu?
Wir werden das System nicht auf einmal umstellen, sondern in zwei Stufen erhöhen. Ich halte aber auch einen noch höheren Betrag für gerechtfertigt.Warum?
Wir müssen hinkommen zu einer realistischen Bepreisung der Parkplätze. Wenn man 1700 Euro Miete pro Jahr für einen privaten Tiefgaragenstellplatz bezahlt, sind 300 Euro für einen Anwohnerparkausweis immer noch extrem günstig. In Stockholm beispielsweise kostet das vergleichbare Angebot über 800 Euro.
In der Tiefgarage hat man dann aber seinen Stellplatz sicher.
Das stimmt. Nur mietet den kaum jemand. So lange man im öffentlichen Raum günstiger oder sogar kostenlos parken kann, auch wenn man dafür mal Runden drehen muss, bleiben Stellplätze in den Tiefgaragen leer.
Ist das tatsächlich so?
Auf jeden Fall. In der Innenstadt hört die Zahlungsbereitschaft für einen Tiefgaragenstellplatz bei 70, 80 Euro im Monat auf, in Wiblingen bei 40. Zu mir kommen zumindest im Mietwohnungsbau Investoren, die sagen: Können wir weniger Tiefgaragen bauen? Denn die sind ein Verlustgeschäft.
Anreize schaffen zum Bau von privaten Tiefgaragen
Wie drückt sich das in Zahlen aus?
In der Herstellung kostet ein Tiefgaragenstellplatz in der Regel 35 000 bis 40 000 Euro, teure auch mal 60 000 Euro. Wer einen Stellplatz mietet, müsste daher eigentlich zwischen 150 und 250 Euro pro Monat bezahlen, damit sich der Bau eines Garagenplatzes für einen Investor rechnet. Wenn sich das Parken im öffentlichen Raum verteuert, schaffen wir Anreize für Private, Tiefgaragen zu bauen.
Gerade UWS-Mieter können sich solche Preise doch gar nicht leisten!
Bezahlt werden müssen sie aber doch, da ja auch die UWS ihre Investitionen wieder erwirtschaften muss. In den frei vermieteten Wohnungen werden bei der UWS Wohnungen nur mit einem Stellplatz vermietet. In Sozialwohnungen der UWS gibt es aber genau aus diesem Grund keinen Zwang, einen Tiefgaragenplatz zu mieten. Einige Mieter bräuchten ihn auch nicht, weil sie kein Auto haben. Dennoch führen die Tiefgaragen auch in Sozialwohnungen dazu, dass sich die Miete verteuert.
Weshalb?
Wenn Tiefgaragenplätze eigentlich 140 Euro pro Monat kosten, aber nur für 70 Euro vermietet werden können, entsteht ein Defizit. Also werden diese Kosten auf die Mieten umgelegt. Die Sozialmieter zahlen damit diese 70 Euro im Monat mehr, damit andere ihr Auto günstiger abstellen können. Das scheint mir sozial unausgewogen und extrem absurd. Es kommt daher, dass das Parken im öffentlichen Raum immer noch billiger ist und deswegen wenige bereit sind, den realistischen Preis für das Parken in der Stadt zu bezahlen. Im Zweifel mieten sie lieber nicht, stellen ihr Auto auf die Straße und schreiben an die Stadt, sie möge bitte etwas gegen die Parkplatznot unternehmen.
Wenn es immer teurer wird: Wer kann sich das Wohnen in der Innenstadt dann überhaupt noch leisten?
Das Wohnen selbst betrifft es ja eigentlich nicht. Es geht bei der Diskussion nicht ums Wohnen, sondern ums Parken.
Unterstützung für Ärmere, die ein Auto zwingend brauchen
Ist die Innenstadt dann nur noch Wohnort für Wohlsituierte?
Das darf sie natürlich nicht sein. Im Moment subventionieren wir allerdings Parkplätze für alle, also auch für Menschen, die sich teureres Parken leisten könnten. Wir sollten eher darüber nachdenken, wie wir Einzelne unterstützen, die ein eigenes Auto zwingend brauchen und wenig Geld haben.
Die Ulmer SPD-Fraktion hat angeregt, über eine Sozialstaffel bei Anwohnerparkausweisen nachzudenken. Was halten Sie davon?
Freiburg und Tübingen haben ein solches Modell. Ich wünsche mir, dass wir den sozialen Ausgleich nicht über Parkplätze leisten, sondern auf andere Weise hinkriegen und soziale Ungleichheiten im Einzelfall ausgleichen.
Also eine Art Umverteilung?
Das ist es ja jetzt auch. Nur eben von Nicht-Autobesitzern zu Autobesitzern. Und: Ärmere Nicht-Autobesitzer haben nichts davon. Es sollte sich aber ökonomisch widerspiegeln, ob ich Auto fahre oder nicht. Sonst schaffen wir die Mobilitätswende nicht.
Viele sind auf das Auto angewiesen, weil sie es für den Weg zur Arbeit brauchen. Werden sie benachteiligt?
Einen Ausgleich zu schaffen, ist ein zentrales gesellschaftliches Thema. Nur: Man muss das nicht übers Parken machen. Und was den Weg zum Arbeitsplatz angeht: Vielleicht können ja auch Firmen einen Ausgleich schaffen.
Wie das?
Für viele Firmen gilt das Gleiche: Die Kosten eines Parkplatzes werden verschleiert. Die Firmen bezahlen für den Bau von Parkplätzen, die Beschäftigten verdienen aber das Gleiche, ob sie den Parkplatz nutzen oder nicht. Man könnte auch dort über Bepreisung von Parkplätzen nachdenken oder über Zuschüsse zu Monatskarten. Der Alb-Donau-Kreis macht das schon jetzt vorbildlich.
Wollen Sie über den Preis des Parkens das Auto aus der Innenstadt verdrängen?
Autos wird es weiter geben. In der Ulmer Altstadt gibt es bezogen auf die Zahl der Bewohner aber schon jetzt deutlich weniger zugelassene Fahrzeuge als zum Beispiel in Wiblingen. Und ich finde Carsharing extrem gut. Vorhandene Autos stehen dann nicht mehr nur, sondern werden von mehreren Nutzern bewegt. Das hat viele ökologische Vorteile.
Der Autokauf kurbelt aber die Wirtschaft an.
Ja, das stimmt. Das ist ein Argument, das schwer zu widerlegen ist. Wir sollten aber überlegen, wie wir unsere Wirtschaft so hinbekommen, dass sie produktiv ist und gleichzeitig eine nachhaltige Zukunft unterstützt.
Viele reden vom Radfahren und fahren Auto
Alle reden von der Verkehrswende und vom Radfahren, aber in Ulm steigen die Zulassungszahlen.
Ulm hat nach Heilbronn die höchste Zahl an zugelassenen Pkw der Stadtkreise im Land. Sie steigt überproportional weiter. Alle reden von der Verkehrswende, aber die Bereitschaft, wirklich etwas zu verändern, ist nicht groß. Ich fürchte, viele reden vom Radfahren und fahren Auto.
Oder fahren zwar oft Fahrrad, haben aber trotzdem ein Auto.
Es besteht jedenfalls eine gewisse kognitive Dissonanz bei der Verkehrswende. Die Relevanz des Autos nimmt leider nicht ab, sondern eher zu.
Könnte ein besserer öffentlicher Nahverkehr gegensteuern?
Das ist sicher ein Kriterium. Die Qualität des ÖPNV wird aber auch weiter sehr darauf ankommen, wo ich wohne.
Inwiefern?
Wo viele Menschen auf engerem Raum wohnen, ist einfach zahlenmäßig die Nachfrage höher und es damit einfacher, ein wirtschaftlich und ökologisch effizientes Angebot zu bieten. Das Mobilitätsverhalten der künftigen Bewohner am Weinberg wird anders aussehen als der Menschen in den Ortsteilen. Wir können die Qualität des innerstädtischen ÖPNV aus wirtschaftlichen Gründen nicht in gleichem Maß in die Ortsteile bringen. Wie die Mobilität in 20 Jahren aussieht wird auch dadurch entschieden, wie wir jetzt Wohngebiete ausweisen.
Also eher nachverdichten als Bauen auf der grünen Wiese?
Auch unter Mobilitätsgesichtspunkten, ja. Aber da sind wir wieder bei den Parkplätzen. Sehr viele Diskussionen um Nachverdichtung haben gar nicht so viel mit Wohnungen zu tun, sondern mit den zusätzlichen Autos. Die Bewohner fürchten die zunehmende Konkurrenz um die Parkplätze und fordern: Die Neuen sollen mehr Parkplätze bauen.
Viele Grüße vom Vielfahrer
die Südwest-Presse aus Ulm hat mit dem für die Themen Bauen und Verkehr zuständigen Bürgermeister Tim von Winning (früher Tübingen) ein interessantes Interview zum Thema "Parken" geführt, welches absolut lesenswert ist. Ich stelle es deshalb auszugsweise hier ins Forum.
Kaum ein Thema erregt so die Gemüter wie das Parken. Es fehlen Parkplätze, und sie sind zu teuer, klagen viele. Der Ulmer Bürgermeister Tim von Winning sieht das ganz anders.
Vom ehemaligen Stuttgarter OB Manfred Rommel soll der Satz stammen: „Des Oberbürgermeisters täglich Brot ist und bleibt der Hundekot.“ Der Ulmer Bürgermeister Tim von Winning, zuständig unter anderem für Bauen und Verkehr, hat ihn abgewandelt: „Des Bürgermeisters täglich Brot ist und bleibt die Parkplatznot.“
Herr von Winning, Parken ist ein heißes Thema...
Tim von Winning: Erstaunlicherweise eines der prägnantesten meines Berufslebens.
Inwiefern?
Geschätzt ein Viertel aller Briefe, die bei mir eingehen, drehen sich darum. Das ist verrückt in einer Stadt wie Ulm, wo meines Erachtens andere Themen viel wichtiger sein müssten. Aber Parken erregt offensichtlich die Gemüter und verursacht viel Ärger.
Weil etliche Menschen die Erfahrung machen: Es fehlen Parkplätze.
Ja, das Thema betrifft viele. Und zwar überall dort, wo der Parkdruck groß ist, also in den dichter besiedelten Teilen der Stadt und der Ortsteile. Die meisten Briefe kommen aus der Weststadt und vom Eselsberg, wo die Mieten für Tiefgaragenstellplätze noch deutlich niedriger sind als in der Innenstadt. Aber wir sind es gewohnt, dass die öffentliche Hand Parkplätze zur Verfügung stellt. Wir sind es gewohnt, an der Straße zu parken. Es herrscht eher das Gefühl vor: Die Straße gehört den Autofahrenden. Daraus ergibt sich der Anspruch, die Stadt müsse etwas tun, um mehr Parkplätze zu schaffen.
Realistische Bepreisung der Parkplätze
Und Sie meinen: Das muss sie nicht?
Straßen sind öffentlicher Raum. Also Raum, der für alle da ist, nicht nur fürs Fahren und Abstellen von Fahrzeugen. Im öffentlichen Raum geht es generell um verschiedene Bedürfnisse, um Begrünung, Aufenthaltsqualität, Wohnen und die Qualität des Wohnens.
Für einige gehört zur Qualität des Wohnens ein Parkplatz vor der Haustür oder zumindest in der Nähe dazu.
Das System des motorisierten Individualverkehrs ist extrem ineffizient. Ein Auto steht 95 Prozent der Zeit still. Unser Autoverkehr funktioniert nur, wenn es freie Parkplätze gibt. Die meisten Menschen fahren ja, weil sie etwas erledigen möchten. Sie brauchen am Zielort einen Parkplatz. Der am Herkunftsort bleibt dann meist frei. Damit dieses System funktioniert, brauchen wir einen extremen Überhang an Parkplätzen. In Deutschland gibt es etwa 65 Millionen Fahrzeuge und gut 160 Millionen Parkplätze. An diesen Zahlen zeigt sich die Ineffizienz des Systems besonders.
Sind öffentliche Parkplätze zu billig?
Für die Nutzer auf jeden Fall. Für die, die sie bauen, nicht. Wir sind es gewohnt, dass für öffentliche Parkplätze die Allgemeinheit bezahlt – auch die, die gar kein Auto haben. Wir verschleiern die Kosten, es gibt keine Transparenz.
Ulm hat zuletzt die Gebühren an oberirdischen Parkplätzen erhöht.
Das Parken in den Tiefgaragen ist jetzt günstiger als oberirdisch. Wir wollen einen Anreiz schaffen, in die Parkhäuser zu fahren.
Ab Sommer soll in der Innenstadt das Mischparken gelten. Was heißt das für Bewohner und Besucher?
Die Parkplätze stehen dann rund um die Uhr jeden Tag allen zur Verfügung. Wenn es weniger reservierte Parkplätze für einzelne Nutzergruppen gibt, können sie viel effizienter belegt werden: Es gibt für alle mehr Optionen und weniger Suchverkehr. Es ist im Grundsatz eine Art von Sharing, das bestehende Angebot kann besser genutzt werden. Das bringt mehr Menschen etwas, und alle Nutzer werden gleich behandelt.
300 Euro Jahresgebühr sind noch zu wenig
Die Jahresgebühr für Anwohnerparkausweise soll deutlich steigen.
Mischparken und teurere Anwohnerparkausweise gehören zusammen, nur in der Kombination ist das richtig. Es wäre unfair, wenn die Anwohnerparkausweise weiter nur 30,70 Euro pro Jahr kosten würden. Das würde die Besucher der Innenstadt benachteiligen. Die Anwohnerparkausweise kosten seit Anfang der 90er Jahre gleich viel. Es waren mal 60 Mark, die wurden einfach in Euro umgerechnet.
Sie traten dafür ein, für Anwohnerparkausweise 300 Euro zu verlangen. Stehen Sie noch dazu?
Wir werden das System nicht auf einmal umstellen, sondern in zwei Stufen erhöhen. Ich halte aber auch einen noch höheren Betrag für gerechtfertigt.Warum?
Wir müssen hinkommen zu einer realistischen Bepreisung der Parkplätze. Wenn man 1700 Euro Miete pro Jahr für einen privaten Tiefgaragenstellplatz bezahlt, sind 300 Euro für einen Anwohnerparkausweis immer noch extrem günstig. In Stockholm beispielsweise kostet das vergleichbare Angebot über 800 Euro.
In der Tiefgarage hat man dann aber seinen Stellplatz sicher.
Das stimmt. Nur mietet den kaum jemand. So lange man im öffentlichen Raum günstiger oder sogar kostenlos parken kann, auch wenn man dafür mal Runden drehen muss, bleiben Stellplätze in den Tiefgaragen leer.
Ist das tatsächlich so?
Auf jeden Fall. In der Innenstadt hört die Zahlungsbereitschaft für einen Tiefgaragenstellplatz bei 70, 80 Euro im Monat auf, in Wiblingen bei 40. Zu mir kommen zumindest im Mietwohnungsbau Investoren, die sagen: Können wir weniger Tiefgaragen bauen? Denn die sind ein Verlustgeschäft.
Anreize schaffen zum Bau von privaten Tiefgaragen
Wie drückt sich das in Zahlen aus?
In der Herstellung kostet ein Tiefgaragenstellplatz in der Regel 35 000 bis 40 000 Euro, teure auch mal 60 000 Euro. Wer einen Stellplatz mietet, müsste daher eigentlich zwischen 150 und 250 Euro pro Monat bezahlen, damit sich der Bau eines Garagenplatzes für einen Investor rechnet. Wenn sich das Parken im öffentlichen Raum verteuert, schaffen wir Anreize für Private, Tiefgaragen zu bauen.
Gerade UWS-Mieter können sich solche Preise doch gar nicht leisten!
Bezahlt werden müssen sie aber doch, da ja auch die UWS ihre Investitionen wieder erwirtschaften muss. In den frei vermieteten Wohnungen werden bei der UWS Wohnungen nur mit einem Stellplatz vermietet. In Sozialwohnungen der UWS gibt es aber genau aus diesem Grund keinen Zwang, einen Tiefgaragenplatz zu mieten. Einige Mieter bräuchten ihn auch nicht, weil sie kein Auto haben. Dennoch führen die Tiefgaragen auch in Sozialwohnungen dazu, dass sich die Miete verteuert.
Weshalb?
Wenn Tiefgaragenplätze eigentlich 140 Euro pro Monat kosten, aber nur für 70 Euro vermietet werden können, entsteht ein Defizit. Also werden diese Kosten auf die Mieten umgelegt. Die Sozialmieter zahlen damit diese 70 Euro im Monat mehr, damit andere ihr Auto günstiger abstellen können. Das scheint mir sozial unausgewogen und extrem absurd. Es kommt daher, dass das Parken im öffentlichen Raum immer noch billiger ist und deswegen wenige bereit sind, den realistischen Preis für das Parken in der Stadt zu bezahlen. Im Zweifel mieten sie lieber nicht, stellen ihr Auto auf die Straße und schreiben an die Stadt, sie möge bitte etwas gegen die Parkplatznot unternehmen.
Wenn es immer teurer wird: Wer kann sich das Wohnen in der Innenstadt dann überhaupt noch leisten?
Das Wohnen selbst betrifft es ja eigentlich nicht. Es geht bei der Diskussion nicht ums Wohnen, sondern ums Parken.
Unterstützung für Ärmere, die ein Auto zwingend brauchen
Ist die Innenstadt dann nur noch Wohnort für Wohlsituierte?
Das darf sie natürlich nicht sein. Im Moment subventionieren wir allerdings Parkplätze für alle, also auch für Menschen, die sich teureres Parken leisten könnten. Wir sollten eher darüber nachdenken, wie wir Einzelne unterstützen, die ein eigenes Auto zwingend brauchen und wenig Geld haben.
Die Ulmer SPD-Fraktion hat angeregt, über eine Sozialstaffel bei Anwohnerparkausweisen nachzudenken. Was halten Sie davon?
Freiburg und Tübingen haben ein solches Modell. Ich wünsche mir, dass wir den sozialen Ausgleich nicht über Parkplätze leisten, sondern auf andere Weise hinkriegen und soziale Ungleichheiten im Einzelfall ausgleichen.
Also eine Art Umverteilung?
Das ist es ja jetzt auch. Nur eben von Nicht-Autobesitzern zu Autobesitzern. Und: Ärmere Nicht-Autobesitzer haben nichts davon. Es sollte sich aber ökonomisch widerspiegeln, ob ich Auto fahre oder nicht. Sonst schaffen wir die Mobilitätswende nicht.
Viele sind auf das Auto angewiesen, weil sie es für den Weg zur Arbeit brauchen. Werden sie benachteiligt?
Einen Ausgleich zu schaffen, ist ein zentrales gesellschaftliches Thema. Nur: Man muss das nicht übers Parken machen. Und was den Weg zum Arbeitsplatz angeht: Vielleicht können ja auch Firmen einen Ausgleich schaffen.
Wie das?
Für viele Firmen gilt das Gleiche: Die Kosten eines Parkplatzes werden verschleiert. Die Firmen bezahlen für den Bau von Parkplätzen, die Beschäftigten verdienen aber das Gleiche, ob sie den Parkplatz nutzen oder nicht. Man könnte auch dort über Bepreisung von Parkplätzen nachdenken oder über Zuschüsse zu Monatskarten. Der Alb-Donau-Kreis macht das schon jetzt vorbildlich.
Wollen Sie über den Preis des Parkens das Auto aus der Innenstadt verdrängen?
Autos wird es weiter geben. In der Ulmer Altstadt gibt es bezogen auf die Zahl der Bewohner aber schon jetzt deutlich weniger zugelassene Fahrzeuge als zum Beispiel in Wiblingen. Und ich finde Carsharing extrem gut. Vorhandene Autos stehen dann nicht mehr nur, sondern werden von mehreren Nutzern bewegt. Das hat viele ökologische Vorteile.
Der Autokauf kurbelt aber die Wirtschaft an.
Ja, das stimmt. Das ist ein Argument, das schwer zu widerlegen ist. Wir sollten aber überlegen, wie wir unsere Wirtschaft so hinbekommen, dass sie produktiv ist und gleichzeitig eine nachhaltige Zukunft unterstützt.
Viele reden vom Radfahren und fahren Auto
Alle reden von der Verkehrswende und vom Radfahren, aber in Ulm steigen die Zulassungszahlen.
Ulm hat nach Heilbronn die höchste Zahl an zugelassenen Pkw der Stadtkreise im Land. Sie steigt überproportional weiter. Alle reden von der Verkehrswende, aber die Bereitschaft, wirklich etwas zu verändern, ist nicht groß. Ich fürchte, viele reden vom Radfahren und fahren Auto.
Oder fahren zwar oft Fahrrad, haben aber trotzdem ein Auto.
Es besteht jedenfalls eine gewisse kognitive Dissonanz bei der Verkehrswende. Die Relevanz des Autos nimmt leider nicht ab, sondern eher zu.
Könnte ein besserer öffentlicher Nahverkehr gegensteuern?
Das ist sicher ein Kriterium. Die Qualität des ÖPNV wird aber auch weiter sehr darauf ankommen, wo ich wohne.
Inwiefern?
Wo viele Menschen auf engerem Raum wohnen, ist einfach zahlenmäßig die Nachfrage höher und es damit einfacher, ein wirtschaftlich und ökologisch effizientes Angebot zu bieten. Das Mobilitätsverhalten der künftigen Bewohner am Weinberg wird anders aussehen als der Menschen in den Ortsteilen. Wir können die Qualität des innerstädtischen ÖPNV aus wirtschaftlichen Gründen nicht in gleichem Maß in die Ortsteile bringen. Wie die Mobilität in 20 Jahren aussieht wird auch dadurch entschieden, wie wir jetzt Wohngebiete ausweisen.
Also eher nachverdichten als Bauen auf der grünen Wiese?
Auch unter Mobilitätsgesichtspunkten, ja. Aber da sind wir wieder bei den Parkplätzen. Sehr viele Diskussionen um Nachverdichtung haben gar nicht so viel mit Wohnungen zu tun, sondern mit den zusätzlichen Autos. Die Bewohner fürchten die zunehmende Konkurrenz um die Parkplätze und fordern: Die Neuen sollen mehr Parkplätze bauen.
Viele Grüße vom Vielfahrer