Trassenkonflikt zwischen S-Bahn und Güterverkehr
Verfasst: Sa 1. Jun 2019, 11:02
Der Autor Stefan Hotz von der Neuen Zürcher Zeitung berichtet über eine Auseinandersetzung über die Trassenvergabe:
Die S-Bahn erhält auf der Strecke nach Bülach Vorrang
Der Bund kann im Streit um die Schienenkapazität den behaupteten Bedarf für den Güterverkehr nicht nachweisen
Die Kapazität des Schienennetzes im Raum Zürich ist ausgereizt. Zunehmend kommen sich Regional-, Fern- und Güterverkehr in die Quere. Auf Anfang 2017 hat der Bund das System der Netznutzung geändert. Zuvor hatte der Personenverkehr Vorrang, neu soll sich der Gütertransport gleichberechtigt entwickeln können. Im Raum Zürich kam es deswegen zu einem Konflikt. Während Jahren plante der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), die S 3 ab Dezember 2018, wenn diese nicht mehr ins Limmattal fährt, zu den Hauptverkehrszeiten halbstündlich nach Bülach zu führen. Zusammen mit der S 9 fahren so morgens und abends zwischen Zürich und dem Unterland vier Züge in der Stunde.
Anfang 2018 entschied jedoch das Bundesamt für Verkehr (BAV), auf diesem Streckenabschnitt eine gewisse Anzahl von Trassen für den Güterverkehr zu sichern; unter Trassen versteht man Plätze oder Zeitfenster im Fahrplan. Durch diese Reservierung für Güterzüge hätte die Schienenkapazität für die S 3 nicht gereicht, den Halbstundentakt der S 3 einzuführen. Der Kanton Zürich, dder ZVV und die Stadt Bülach unterbreiteten den Konflikt dem Bundesverwaltungsgericht (BVG). Dieses gab in einer vorsorglichen Maßnahme die umstrittenen Trassen für die Zürcher S-Bahn frei. Deshalb verkehrt die S 3 seit Dezember neu im Unterland.
Nun hat das BVG sein Urteil in der Sache veröffentlicht. Auch darin geben die Richter den Behörden aus Zürich auf der ganzen Linie recht. Das BAV habe bei seinem Entscheid ausschließlich auf die Interessen des Gütertransports abgestellt und eine umfassende Interessenabwägung unterlassen. Diese nimmt sodann das Gericht selber vor. Dabei stellt es aufgrund der eingereichten Unterlagen fest, dass die konkreten Nutzungsinteressen für den Güterverkehr äußerst gering sind. Tatsächlich wurde von sieben strittigen Trassen im fraglichen Streckenabschnitt nur eine beansprucht, und zwar für einen Transport von leeren Güterwagen. Das Gericht stellt fest, dass den konkreten Nutzungsinteressen des regionalen Personenverkehrs ein höheres Gewicht beizumessen ist.
Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass der ZVV den Ausbau des Fahrplanangebots zwischen Zürich und Bülach seit Jahren plante, was vom BAV mitgetragen wurde. Erstmals ist das vertraglich festgehalten in der Vereinbarung vom September 2008 über die der Zürcher Durchmesserlinie. Damit habe sich as BAV verpflichtet, den Halbstundentakt der S 3 für die Fahrt nach Bülach in der Planung anzuerkennen, heißt es in der Urteilsbegründung. Ihr Urteil fällt glasklar aus. Die Verfügung des BAV vom Januar 2018 wird aufgehoben und das Bundesamt angewiesen, der Zürcher S-Bahn für den Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit auf dem Abschnitt zwischen
Zürich Hardbrücke und Bülach die erforderliche Anzahl Trassen zu sichern.
Für das BAV sei das Urteil nicht überraschend ausgefallen, nachdem die Gerichte bereits über die vorsorglichen Maßnahmen zugunsten des Personenverkehrs entschieden hätten, sagt dessen Sprecher Andreas Windlinger auf Anfrage. Man werde die Begründung sorgfältig prüfen, bevor entschieden werde, ob man den Fall an das Bundesgericht weiterziehe. Um die S 3 zwischen Zürich und Bülach dreht sich derzeit der einzige Trassenstreit, der von den Gerichten beurteilt wird. Im Zusammenhang mit dem 2017 eingeführten neuen System der Netznutzung erhält er einen gewissen Präzedenzcharakter. "Für uns geht es um die Frage, ob das neue Instrument so griffig ist, wie die Bundesverwaltung und das Parlament sich das vorgestellt haben", sagt Windlinger.
Er widerspricht dem Vorwurf des Bundesverwaltungsgerichts, das BAV habe keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen. "Diese erfolgte bereits bei der Erarbeitung der Netznutzungspläne, als für jede Strecke detailliert abgewogen wurde, wie viele Trassen an den Personen- und Güterverkehr gehen". Aber warum wird von sieben umstrittenen Trassen effektiv nur eine genutzt? Dass dies aus Sicht der S-Bahn-Nutzer schwer nachvollziehbar sei, könne er verstehen, sagt der BAV-Sprecher. Doch Güterbahnen würden kurzfristig disponieren. Es gehe auch um das Signal, da an den Cargo-Verkehr ausgesandt werde, sagte Windlinger. Aber nur wenn die Bahn auch in der Zukunft freie Fahrwege zusichern könne, sei die Transportwirtschaft bereit, weiterhin auf die Schiene zu setzen.
Für den ZVV hat das Gericht zugunsten der Pendler entschieden. Mit dem Entscheid werde die Planungs- und Investitionssicherheit aller Beteiligten geschützt, schreibt er in einer Mitteilung. Der öffentliche Verkehr sei gerade wegen der teilweise hohen Investitionssummen ein sehr langfristiges Geschäft, was eine sorgfältige und verlässliche Planung erfordere. Der ZVV erinnert daran, dass schon längst die nötigen Züge gekauft worden seien. Die S 3 werde zwichen Hardbrücke und Bülach von den Bahnkunden bereits gut genutzt.
(A-1216/2018, 21. Mai 2019, nicht rechtskräftig)
Viele Grüße vom Vielfahrer
Die S-Bahn erhält auf der Strecke nach Bülach Vorrang
Der Bund kann im Streit um die Schienenkapazität den behaupteten Bedarf für den Güterverkehr nicht nachweisen
Die Kapazität des Schienennetzes im Raum Zürich ist ausgereizt. Zunehmend kommen sich Regional-, Fern- und Güterverkehr in die Quere. Auf Anfang 2017 hat der Bund das System der Netznutzung geändert. Zuvor hatte der Personenverkehr Vorrang, neu soll sich der Gütertransport gleichberechtigt entwickeln können. Im Raum Zürich kam es deswegen zu einem Konflikt. Während Jahren plante der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), die S 3 ab Dezember 2018, wenn diese nicht mehr ins Limmattal fährt, zu den Hauptverkehrszeiten halbstündlich nach Bülach zu führen. Zusammen mit der S 9 fahren so morgens und abends zwischen Zürich und dem Unterland vier Züge in der Stunde.
Anfang 2018 entschied jedoch das Bundesamt für Verkehr (BAV), auf diesem Streckenabschnitt eine gewisse Anzahl von Trassen für den Güterverkehr zu sichern; unter Trassen versteht man Plätze oder Zeitfenster im Fahrplan. Durch diese Reservierung für Güterzüge hätte die Schienenkapazität für die S 3 nicht gereicht, den Halbstundentakt der S 3 einzuführen. Der Kanton Zürich, dder ZVV und die Stadt Bülach unterbreiteten den Konflikt dem Bundesverwaltungsgericht (BVG). Dieses gab in einer vorsorglichen Maßnahme die umstrittenen Trassen für die Zürcher S-Bahn frei. Deshalb verkehrt die S 3 seit Dezember neu im Unterland.
Nun hat das BVG sein Urteil in der Sache veröffentlicht. Auch darin geben die Richter den Behörden aus Zürich auf der ganzen Linie recht. Das BAV habe bei seinem Entscheid ausschließlich auf die Interessen des Gütertransports abgestellt und eine umfassende Interessenabwägung unterlassen. Diese nimmt sodann das Gericht selber vor. Dabei stellt es aufgrund der eingereichten Unterlagen fest, dass die konkreten Nutzungsinteressen für den Güterverkehr äußerst gering sind. Tatsächlich wurde von sieben strittigen Trassen im fraglichen Streckenabschnitt nur eine beansprucht, und zwar für einen Transport von leeren Güterwagen. Das Gericht stellt fest, dass den konkreten Nutzungsinteressen des regionalen Personenverkehrs ein höheres Gewicht beizumessen ist.
Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass der ZVV den Ausbau des Fahrplanangebots zwischen Zürich und Bülach seit Jahren plante, was vom BAV mitgetragen wurde. Erstmals ist das vertraglich festgehalten in der Vereinbarung vom September 2008 über die der Zürcher Durchmesserlinie. Damit habe sich as BAV verpflichtet, den Halbstundentakt der S 3 für die Fahrt nach Bülach in der Planung anzuerkennen, heißt es in der Urteilsbegründung. Ihr Urteil fällt glasklar aus. Die Verfügung des BAV vom Januar 2018 wird aufgehoben und das Bundesamt angewiesen, der Zürcher S-Bahn für den Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit auf dem Abschnitt zwischen
Zürich Hardbrücke und Bülach die erforderliche Anzahl Trassen zu sichern.
Für das BAV sei das Urteil nicht überraschend ausgefallen, nachdem die Gerichte bereits über die vorsorglichen Maßnahmen zugunsten des Personenverkehrs entschieden hätten, sagt dessen Sprecher Andreas Windlinger auf Anfrage. Man werde die Begründung sorgfältig prüfen, bevor entschieden werde, ob man den Fall an das Bundesgericht weiterziehe. Um die S 3 zwischen Zürich und Bülach dreht sich derzeit der einzige Trassenstreit, der von den Gerichten beurteilt wird. Im Zusammenhang mit dem 2017 eingeführten neuen System der Netznutzung erhält er einen gewissen Präzedenzcharakter. "Für uns geht es um die Frage, ob das neue Instrument so griffig ist, wie die Bundesverwaltung und das Parlament sich das vorgestellt haben", sagt Windlinger.
Er widerspricht dem Vorwurf des Bundesverwaltungsgerichts, das BAV habe keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen. "Diese erfolgte bereits bei der Erarbeitung der Netznutzungspläne, als für jede Strecke detailliert abgewogen wurde, wie viele Trassen an den Personen- und Güterverkehr gehen". Aber warum wird von sieben umstrittenen Trassen effektiv nur eine genutzt? Dass dies aus Sicht der S-Bahn-Nutzer schwer nachvollziehbar sei, könne er verstehen, sagt der BAV-Sprecher. Doch Güterbahnen würden kurzfristig disponieren. Es gehe auch um das Signal, da an den Cargo-Verkehr ausgesandt werde, sagte Windlinger. Aber nur wenn die Bahn auch in der Zukunft freie Fahrwege zusichern könne, sei die Transportwirtschaft bereit, weiterhin auf die Schiene zu setzen.
Für den ZVV hat das Gericht zugunsten der Pendler entschieden. Mit dem Entscheid werde die Planungs- und Investitionssicherheit aller Beteiligten geschützt, schreibt er in einer Mitteilung. Der öffentliche Verkehr sei gerade wegen der teilweise hohen Investitionssummen ein sehr langfristiges Geschäft, was eine sorgfältige und verlässliche Planung erfordere. Der ZVV erinnert daran, dass schon längst die nötigen Züge gekauft worden seien. Die S 3 werde zwichen Hardbrücke und Bülach von den Bahnkunden bereits gut genutzt.
(A-1216/2018, 21. Mai 2019, nicht rechtskräftig)
Viele Grüße vom Vielfahrer