Interessenverband Gäubahn tagte in Horb

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Vielfahrer
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Interessenverband Gäubahn tagte in Horb

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

heute tagte in Horb der Interessenverband Gäubahn. Etwa 30 Personen waren anwesend, weitere ca. 55 Personen folgten online.
Vorgestellt wurden drei externe Gutachten zum Thema S 21 bzw. Gäubahn.


Als erster Gutachter trug Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis vom Institut für Stadt- und Regionalentwicklung sein Gutachten vor, das sich mit der städtebaulichen Argumentation der Stadt Stuttgart beschäftigte. Das Gutachten kam zum Ergebnis, dass die Argumentation der Stadt Stuttgart in sich konsistent und plausibel ist. Es wäre zwar denkbar, dass bis zur Eröffnung des Pfaffensteigtunnels und der ab dann erfolgenden direkten Anbindung der Gäubahn an den Tiefbahnhof eine Stichstrecke bis zum heutigen Kopfbahnhof beibehalten werden könne, aber dies würde zu erheblichen Zeitverzögerungen, neuen Planungen und höheren Kosten führen. Aus Sicht des Instituts wären die Entscheidungen der Stadt Stuttgart nicht zu beanstanden, da sie in deren Ermessensspielraum liegen würden.

Anschließend trug Moritz Opgen-Rhein, ein Gutachter der Fa. Ramboll , vor. Er befasste sich mit den Aussagen der DB zur Thematik „Weiterbetrieb der Panoramabahn bis zum Hauptbahnhof“. Ergebnis seiner Aussagen war, dass die Argumentation der DB in sich schlüssig sei. Er hielt jedoch für denkbar, ein Gleis ab Stuttgart-Vaihingen ohne eine weitere Weiche bis in den heutigen Hauptbahnhof als Stichstreckenblock zu betreiben. Zu den im vergangenen Gäubahn-Faktencheck als marode bezeichneten Brücken auf der Strecke stellte er fest, dass eine von drei Brücken tatsächlich zu sanieren sei (Zustandsklasse 4), während zwei andere Brücken in die bessere Zustandsklasse 3 einzustufen seien. Nach seinen Ausführungen werden Brücken alle sechs Jahre untersucht. Bei der schadhaften Brücke sei dies letztmals im Jahr 2017 der Fall gewesen. Er riet dazu, die Untersuchung im Jahr 2023 noch abzuwarten, um den Sanierungsaufwand realistisch angeben zu können. Allerdings sei es nur möglich, einen Zug pro Stunde auf diesem Stichstreckenblock zu fahren, d.h. der Nutzen für die Fahrgäste sei deutlich geringer als heute. Zu beachten sei ferner, dass für die kurze Übergangszeit bis zur Befahrbarkeit des Pfaffensteigtunnels u.U. erhebliche finanzielle Mittel aufzuwenden wären. Außerdem wäre es nicht möglich, unmittelbar anschließend an die ab Mitte 2025 erfolgende Unterbrechung der Panoramabahn ohne weitere Unterbrechung eine Übergangslösung zu erstellen. Als Grund dafür nannte er eine zu kurze Planungszeit und entsprechende Zeiten für die notwendigen Sanierungen. Die Übergangslösung könnte also nicht während der ganzen Zeit genutzt werden, was wirtschaftlich nicht gerade vorteilhaft sei.

Für SMA befasste sich Marten Meier mit den von der DB ausgearbeiteten Fahrplankonzepten des Faktenchecks. Die Darstellungen der DB seien in sich schlüssig und nachvollziehbar. Er erwähnte einige kleinere Punkte, bei denen man die Erläuterungen der DB verständlicher machen könnte. Auch SMA schloss die Sinnhaftigkeit der von der DB erarbeiteten Varianten 2 (über Renningen), 3 (über Tübingen) und 4 (Fahren mit Fern- und Regionalzügen auf der S-Bahn-Stammstrecke aus. Übrig blieben demnach nur die Varianten 1 (Brechen der Gäubahn in Stg.-Vaihingen auf die S-Bahn) und 5 (Verlängerungen von S-Bahnen über Herrenberg hinaus in Richtung Horb oder gar Rottweil). SMA würde eine größere Betriebsstabilität darin sehen, dass die S 1 weiterhin in Herrenberg endet und dass anstelle der S 5 die S4 in Richtung Horb verlängert würde. Der Vorschlag wäre, dass die S 4 halbstündlich als Express-S-Bahn, d.h. ohne Zwischenhalte zwischen Böblingen und Herrenberg, bis Horb verlängert würde und dabei gleichzeitig die Regionalexpress-Verbindungen ersetzen solle. Dadurch wäre nahezu Zugkilometerneutralität zu erreichen. Aus Stabilitätsgründen sollte aber jeder 2. Zug in Eutingen wenden, also nicht bis Horb verkehren. Denkbar wäre es, die bis Horb fahrenden S-Bahnen sogar bis Rottweil verkehren zu lassen.

Die S-Bahn-Verlängerung würde jedoch zusätzliche Fahrzeuge kosten, eventuell auch zusätzliche Lokführer, was noch zu klären sei.

Für die Region Stuttgart erklärte in den folgenden Diskussion Verbandsdirektor Bopp, dass es für ihn schwierig sei, in der Herbstsitzung seinem Gremium die Ausdünnung verschiedener S-Bahnen vorzuschlagen, weil es zu wenig Lokführer geben würde und gleichzeitig die S-Bahn möglicherweise bis in weit entfernte Rottweil zu verlängern. Ob da sein Gremium folgen werde, sei unsicher.

Den Wunsch der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, bis Singen mit S-Bahnen zu fahren, beschied schon Marten Meier als abwegig, ebenso eine Beschleunigung der IC-Züge durch Weglassen von Zwischenhalten.

Für das Verkehrsministerium Stuttgart riet Gerd Hickmann zu realistischen Lösungen. Er hielt es aus verschiedenen Gründen für unrealistisch, an einer Stichstrecke zum Kopfbahnhof festzuhalten. Die Brechung des Fernverkehrs in Stuttgart-Vaihingen hingegen sei möglich. Das Land werde zusammen mit dem Aufgabeträger Region Stuttgart nach Varianten suchen, ob die S-Bahn entsprechend den Gutachten bis Horb oder ggf. auch bis Rottweil angeboten werden könne. Da werde man in den nächsten Wochen intensive Gespräche führen. Für den Bereich südlich von Rottweil seien S-Bahnen ab/bis Stuttgart keine sinnvolle Variante. Das Land könnte sich in bestimmtem Umfang jedoch Kompensationslösungen vorstellen, etwa eine verbesserte Anbindung des Bodenseeraums über die Schwarzwaldbahn an den Fernverkehrsknoten Karlsruhe.

Bestätigt wurde in der Sitzung, dass die Halte Böblingen und Singen (Bahnhof nicht Landesgartenschau) zukünftig Bestandteil des Fahrplankonzepts auf der Gäubahn sein werden). Durch zusätzliche Millionen-Investitionen entlang der Gäubahn soll die Zeit dafür gewonnen werden. Klar, dass sich die Oberbürgermeister aus Böblingen und Singen darüber freuten.

Abschließend fasste der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Guido Wolf MdL aus seiner Sicht die weitere Vorgehensweise zusammen:

1. Die Ergebnisse der drei Gutachten (IfSR, Ramboll, SMA) werden zur Kenntnis genommen.
2. Der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn begrüßt, dass der Forderung zum Erhalt der Fernverkehrshalte im Rahmen des Deutschlandtakts in Singen und Böblingen nachgekommen wird.
3. Die Deutsche Bahn AG bleibt nachdrücklich aufgefordert, Planung und Bau des Pfaffensteigtunnels prioritär und sehr zügig voranzureiben und umzusetzen.
4. Die im Bundesverkehrswegeplan verankerten weiteren Ausbaumaßnahmen südlich Böblingens sind auch zeitnah anzugehen.
5. Der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn fordert und bittet den Verband Region Stuttgart - bei unter gegebenen Rahmenbedingungen ggf. nicht zu vermeidendem Unterbruch in Stg.-Vaihingen bis zur Realisierung des Pfaffensteigtunnels einen optimierten Umstieg in Vaihingen (häufige Taktung, möglichst bahnsteiggleich), die Durchbindung der S-Bahn bis Horb und Rottweil, die Optimierung des Fahrplanangebots und den stabilen Betrieb auf den Zulaufstrecken (Bodenseegürtelbahn, Hochrheinstrecke, Schwarzwaldbahn Fernverkehr/ICE, Donaubahn, Ringzug).
6. Sich aus der Klage der Deutschen Umwelthilfe ggf. ergebende Konsequenzen (sog. Stichstreckenblock, weitere Durchbindung) wären ggf. dann neu zu bewerten.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Zuletzt geändert von Vielfahrer am Do 21. Sep 2023, 09:32, insgesamt 1-mal geändert.
Karl Müller
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Re: Interessenverband Gäubahn tagte in Horb

Beitrag von Karl Müller »

Hallo,
Danke für den bericht, eine weitere, nette - eher lustige - Variante kommt zur Zeit ins Spiel - die Führung von IC durch das Ammertal. Diese sollen in Herrenberg Kopf machen um dann über Tübingen und Reutlingen und die SFS nach Stuttgart fahren. Die zweigleisigen Abschnitte wären von Vorteil.
Das lasse ich erstmal so im Raum stehen. Klaro, auf der Ammertalbahn gibt es bestimmt Platz für IC, logisch. Noch dazu im Tübinger Hbf welcher nicht weiß wohin mit seinen Zügen. Dazu Kopf machen in herrenberg mit dem iC, was wären hierfür für Weichenumbauten nötig, dazu Einfahrt mit 30 km/h - oder 20?
Man kann nur den Kopf schütteln über sowas.
MFG Oli
Vielfahrer
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Re: Interessenverband Gäubahn tagte in Horb

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

die Idee, die IC-Züge zwischen Zürich und Stuttgart über die Ammertalbahn zu führen, ist so abwegig, dass sie bei der Sitzung des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn in Horb nicht einmal erwähnt wurde. Von Herrenberg über Stg.-Vaihingen in den Tiefbahnhof sind es 37 km, über die Ammertalbahn und Tübingen - Wendlinger Kurve ungefähr 88 km, also rund 50 km zeitraubender Umweg. Da etwa alle 5 Minuten ab Stuttgart-Vaihingen eine S-Bahn über die Stammstrecke zum Tiefbahnhof verkehren wird, ist der Umstieg in Stuttgart-Vaihingen auf die S-Bahn erheblich attraktiver. Die Aufforderung des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn an die Verantwortlichen bei Bahn, Land und Region, den Umstieg in Stuttgart-Vaihingen möglichst unkompliziert zu gestalten und den Bau den Pfaffensteigtunnels zu beschleunigen, erscheint mir daher viel realistischer. Wer hingegen Lust auf Wasserbüffel oder Fischreiher hat, der kann ja in Herrenberg auf die Ammertalbahn umsteigen und via Tübingen - Wendlinger Kurve nach Stuttgart fahren oder sich auf der A 81 oder der B 27 in den Stau stellen.

Viele Grüße aus dem Ammertal vom Vielfahrer
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