Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
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Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
(ist schon ein paar Wochen her)
Der Bahn-Report schreibt in Ausgabe 4/2010 unter obiger Überschrift:
Zitat:
Das Amtsgericht (AG) Bonn hat entschieden, dass ein Verkehrsunternehmen von einem ertappten minderjährigen Schwarzfahrer kein so genanntes erhöhtes Beförderungsentgelt (in der Regel in Höhe von 40 Euro) verlangen darf. Im Unterschied zu anderen Gerichten hob das AG darauf ab, Grundlage dieser "Vertragsstrafe" sei die Akzeptanz der Beförderungsbedingungen der Busse und Bahnen, die aber nach dem allgemeinen Zivilrecht wie bei jedem Vertrag die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit des "Fahrgastes" voraussetze. Eine höchstrichterliche Klärung der Frage, ob insoweit nicht auch die beschränkte Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen, die auch den Kauf einer Fahrkarte wirksam sein lässt, oder die mutmaßliche Einwilligung der Erziehungsberechtigten in die Fahrt ausreichen, steht bis heute aus, da offenbar keine Seite Rechtsmittel gegen entsprechende Urteile einlegt.
Zitat Ende.
Das spricht sich hoffentlich nicht rum. So beschränkt die Geschäftsfähigkeit bei manchen ist, so beschränkt ist wohl auch der Horizont mancher Richter.
Reinhard
Der Bahn-Report schreibt in Ausgabe 4/2010 unter obiger Überschrift:
Zitat:
Das Amtsgericht (AG) Bonn hat entschieden, dass ein Verkehrsunternehmen von einem ertappten minderjährigen Schwarzfahrer kein so genanntes erhöhtes Beförderungsentgelt (in der Regel in Höhe von 40 Euro) verlangen darf. Im Unterschied zu anderen Gerichten hob das AG darauf ab, Grundlage dieser "Vertragsstrafe" sei die Akzeptanz der Beförderungsbedingungen der Busse und Bahnen, die aber nach dem allgemeinen Zivilrecht wie bei jedem Vertrag die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit des "Fahrgastes" voraussetze. Eine höchstrichterliche Klärung der Frage, ob insoweit nicht auch die beschränkte Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen, die auch den Kauf einer Fahrkarte wirksam sein lässt, oder die mutmaßliche Einwilligung der Erziehungsberechtigten in die Fahrt ausreichen, steht bis heute aus, da offenbar keine Seite Rechtsmittel gegen entsprechende Urteile einlegt.
Zitat Ende.
Das spricht sich hoffentlich nicht rum. So beschränkt die Geschäftsfähigkeit bei manchen ist, so beschränkt ist wohl auch der Horizont mancher Richter.
Reinhard
Ich bn wie ich bin. Die einen kennen mich, die anderen können mich. Manche auch beides.
Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
Der Richter hat nach dem Gesetz zu urteilen, und nicht nach dem Geldbeutel der Verkehrsunternehmen. So blöd das für die Verkehrsunternehmen sein mag - das Argument mit der beschränkten Geschäftsfähigkeit ist nunmal durchaus nachvollziehbar, und ob man pauschal davon ausgehen kann, dass die Eltern mit dem Abschluß eines Beförderungsvertrages grundsätzlich einverstanden sind, finde ich durchaus auch zweifelhaft.Tf Reinhard hat geschrieben: Das spricht sich hoffentlich nicht rum. So beschränkt die Geschäftsfähigkeit bei manchen ist, so beschränkt ist wohl auch der Horizont mancher Richter.
Ggf. muss hier dann halt ein Gesetz her, das eine sinnvolle Regelung (ggf. auch mit Altersabstufung) trifft.
- Tf Reinhard
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
Sehe ich nicht ganz so.
Ein Jugendlicher geht ins Kaufhaus. Seine Eltern sind mit dem, was er kaufen will nicht einverstanden. Dann kann er das Teil auch nicht ungestraft einstecken. Genauso darf er ungestraft nicht ohne Fahrschein mit dem Zug fahren.
Die Bahn geht ja schon viel weiter als der Einzelhandel: "Einkauf nur mit gültigem Fahrschein". Oder hat jemand schon mal ein Schild an der Ware gesehen, auf dem stand "nur bezahlte Ware mit nach Hause nehmen" ??
Reinhard
Ein Jugendlicher geht ins Kaufhaus. Seine Eltern sind mit dem, was er kaufen will nicht einverstanden. Dann kann er das Teil auch nicht ungestraft einstecken. Genauso darf er ungestraft nicht ohne Fahrschein mit dem Zug fahren.
Die Bahn geht ja schon viel weiter als der Einzelhandel: "Einkauf nur mit gültigem Fahrschein". Oder hat jemand schon mal ein Schild an der Ware gesehen, auf dem stand "nur bezahlte Ware mit nach Hause nehmen" ??
Reinhard
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
So einfach kann man das nicht vergleichen. Im Fall des Kaufhausdiebstahls liegt ganz klar ein Diebstahl nach § 242 Strafgesetzbuch vor, da gibts nichts rumzudeuten.Tf Reinhard hat geschrieben: Ein Jugendlicher geht ins Kaufhaus. Seine Eltern sind mit dem, was er kaufen will nicht einverstanden. Dann kann er das Teil auch nicht ungestraft einstecken. Genauso darf er ungestraft nicht ohne Fahrschein mit dem Zug fahren.
Im Fall von dem Schwarzfahren haben wir einerseits die strafrechtliche Komponente:
§ 265a Erschleichen von Leistungen
(1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
Das Problem ist der Punkt "mit der Absicht" - Voraussetzung für die Anwendung des Paragraphen ist also, dass man nachweisen kann, dass das Schwarzfahren Absicht war, was in der Praxis schwer ist. Deswegen erfolgt ein Strafantrag durch Verkehrsunternehmen auch erst, wenn jemand mehrmals erwischt wurde, weil die Gerichte in diesem Fall von Vorsatz und nicht mehr von Versehen ausgehen.
Das erhöhte Beförderungsentgelt ist jetzt aus rechtlicher Sicht eine Vertragsstrafe. Mit dem Kauf der Fahrkarte ODER mit dem Betreten eines Fahrzeuges/Überschreiten einer Bahnsteigsperre schließt man mit dem Verkehrsunternehmen einen Beförderungsvertrag ab und erkennt in diesem Beförderungsvertrag auch die Beförderungsbedingungen an. In den Beförderungsbedingungen steht, dass man das erhöhte Beförderungsentgelt zu zahlen hat, sofern man nicht im Besitz einer Fahrkarte hat.
Das erhöhte Beförderungsentgelt ist damit ein zivilrechtlicher Bestandteil des Beförderungsvertrages - ohne Beförderungsvertrag kein erhöhtes Beförderungsentgelt - und eben keine durch irgendein Gesetz festgelegte Regelung.
Minderjährige können jetzt aber nunmal (das ist wiederum gesetzlich festgelegt) nicht so ohne weiteres Verträge abschließen.
Ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger (7 bis 17 Jahre) kann Verträge abschließen unter folgenden Bedingungen:
§ 107 Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
Durch den Beförderungsvertrag erlangt er nicht nur einen rechtlichen Vorteil (Die Verpflichtung zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes ist ein Nachteil), also ist der Vertrag nach Paragraph 107 nur gültig, wenn der Minderjährige die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters hat. Wenn der Minderjährige mit Zustimmung der Eltern mit der Bahn zur Oma oder zur Schule fährt liegt die Zustimmung vor - wenn er aber ohne Wissen der Eltern mit der Bahn zu nem Freund fährt ist die Zustimmung fraglich - und genau das ist laut dem Artikel der Knackpunkt bei dem Urteil des Amtsgerichtes.
Ansonsten gibt es noch den Taschengeldparagraph:
§ 110 Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln
Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
40 Euro sind in der Regel aber nicht übers Taschengeld zu begleichen, damit dürfte dieser Paragraph eher nicht wirksam sein. Ich bin aber kein Jurist, vielleicht lässt sich bei älteren Jugendlichen mit entsprechend hohem Taschengeld eine Wirksamkeit des Vertrags zusammenbasteln - wirklich eindeutig dürfte das aber auch nicht sein.
Also wie mans dreht und wendet - das erhöhte Beförderungsentgelt bei Minderjährigen ist eine ziemlich wackelige Sache, und daran können die Gerichte auch nichts ändern.
- Tf Reinhard
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
aber das Geld für die Fahrkarte :psst:mebo hat geschrieben:40 Euro sind in der Regel aber nicht übers Taschengeld zu begleichen
Deshalb steht da in der Regel "Einstieg nur mit gültigem Fahrschein". Man wird also darauf hingewiesen, macht es aber trotzdem, also mit Absicht. Wenn man natürlich in den Krümeln sucht, wie manche Rechtsverdreher, so kann man sich die meisten Gesetze passend drehen.mebo hat geschrieben:Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten,
Reinhard
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
Es geht hier aber nicht um das Geld für die Fahrkarte, sondern um das weit höhere Geld für die Vertragsstrafe. Und momentan ist die Rechtslage nunmal so, dass Minderjährige vor Verträgen, die für sie einen größeren Nachteil beinhalten (und 40 Euro sind viel Geld für ein Kind), geschützt werden sollen. In dem Gesetz steht keine Ausnahme für Verkehrsunternehmen, also darf auch der Richter keine Ausnahme machen.Tf Reinhard hat geschrieben:aber das Geld für die Fahrkarte :psst:mebo hat geschrieben:40 Euro sind in der Regel aber nicht übers Taschengeld zu begleichen
Ähm nein, das hat mit sich passend drehen nicht viel zu tun. Die Klausel, dass es mit Absicht geschehen muss, ist schon nicht so verkehrt - ich selber fahren schon fast regelmäßig schwarz, nämlich am ersten Tag (und manchmal auch am zweiten oder dritten), weil ich mal wieder vergessen habe meine Monatskarte zu kaufen. Dem Verkehrsunternehmen entsteht dadurch kein nennenswerter Schaden (ausser den Zinsen für einen Tag...), von daher hält sich mein schlechtes Gewissen sehr in Grenzen. Gegen das Vergessen der Monatsmarke hilft es auch nicht, wenn auf den Fahrzeugen draufsteht, dass man nur mit gültigem Fahrausweis rein darf.Deshalb steht da in der Regel "Einstieg nur mit gültigem Fahrschein". Man wird also darauf hingewiesen, macht es aber trotzdem, also mit Absicht. Wenn man natürlich in den Krümeln sucht, wie manche Rechtsverdreher, so kann man sich die meisten Gesetze passend drehen.
Ganz klar, wenn ich mal am ersten kontrolliert werde hab ich Pech gehabt und muss 40 Euro zahlen, aber einen Straftatbestand kann mir da keiner anhängen - es fehlt die Absicht. Genauso ist es auch sinnvoll, dass bei den häufig durchaus komplexen Tarifsystemen ein Irrtum über den Tarif eben keine Straftat ist.
In sich sind also sowohl die Einschränkung bei der Strafbarkeit von Schwarzfahren, als auch die Einschränkung der Rechtswirksamkeit von Verträgen, eine sinnvolle Sache (man denke nur an die Jamba-Topstar-Abos, die damit zum Glück, wenn sie von Minderjährigen abgeschlossen werden, eben nicht rechtskräftig sind). In Kombination ergeben sie halt leider für Verkehrsunternehmen eine problematische Lücke. Hier von den Richtern zu verlangen, sich über das Gesetz hinwegzusetzen (womit dann die Bezeichnung Rechtsverdreher wirklich stimmen würde), kann jedenfalls keine Lösung des Problems sein.
Ob man pauschal davon ausgehen kann, dass Minderjährige die Zustimmung der Eltern zu einer Bahnfahrt und damit zum Abschluß eines Beförderungsvertrages haben, wird jetzt laut dem Artikel von einem höheren Gericht zu klären sein. Ich persönlich bin der Meinung, dass man das eben nicht so sehen kann, sondern jeden Einzelfall beurteilen muss - aber mal sehen, was die Juristen sich dazu so ausdenken.
Sollten die Richter zu der Ansicht kommen, dass man von einer pauschalen Zustimmung nicht ausgehen kann, ist der Gesetzgeber gefragt - es gibt genug Gesetze, in denen man eine entsprechende Ausnahme reinschreiben kann (ggf. mit Deckelung des Vertragsstrafe nach oben hin).
Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
...und nicht zu vergessen die teilweise idiotisch (nicht) funktionierenden Automaten, für die auch mancher Erwachsene noch über eine verständliche (!) Anleitung froh wäre...mebo hat geschrieben:...bei den häufig durchaus komplexen Tarifsystemen ein Irrtum über den Tarif eben keine Straftat ist.
- Tf Reinhard
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
Ich bleibe trotzdem bei meiner Meinung, dass man beides doch in gewisser Weise miteinander vergleichen kann. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen einem "unrechtmäßigen sich aneignen" und dem "sich erschleichen einer Leistung". Auf jeden Fall muss sichergestellt werden, dass beides entsprechende Auswirkungen hat. In welcher Art und Weise wird hoffentlich entschieden, bevor das Beispiel Schule macht.
Reinhard
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
Du vielleicht nicht, aber das Gesetz. Da wir in einem Rechtsstaat leben, ist aber nunmal das Gesetz maßgeblich.Tf Reinhard hat geschrieben:Ich bleibe trotzdem bei meiner Meinung, dass man beides doch in gewisser Weise miteinander vergleichen kann. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen einem "unrechtmäßigen sich aneignen" und dem "sich erschleichen einer Leistung".
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Re: Erhöhtes Beförderungsentgelt bei Minderjährigen?
Und deshalb hoffe ich auf die höhere Instanz (es hat leider keiner das Urteil angefochten), damit man Fahrscheine für Fahrgäste unter 18 jahren nicht gleich abschaffen können. Auch wenn ich Äpfel mit Birnen vergleiche - von beiden wird man satt. Und Gesetze, die sich gegenseitig widersprechen gibt es schon genug.
Reinhard
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