um kurz vor zwölf waren wir ja ins Bett gegangen – um 5 Uhr hieß es schon wieder Aufstehen. Allzu viele Verbindungen standen uns für unseren Tagesausflug nach Nischni Nowgorod nicht zur Verfügung, denn von Nischni Nowgorod nach Samara fährt nur etwa alle zwei Tage ein Zug, was schlussendlich unseren ganzen Reiseverlauf bestimmte. Von Moskau nach Nischni Nowgorod gibt es natürlich mehr Verbindungen, aber dann wäre vom Tag nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Wir wollten nämlich einmal Sapsan fahren, was auf dieser Verbindung ja inzwischen auch nicht mehr möglich ist und da fuhren auch nur zwei Zugpaare am Tag, wenn ich es recht in Erinnerung habe. Die nächste hätte es erst vier Stunden später gegeben, aber dann hätten wir nur noch um die eine Stunde Aufenthalt in Nischni Nowgorod gehabt.
Um 10 vor 6 verließen wir zusammen mit Sascha, den wir auf unserem Zimmer kennengelernt hatten und der fließend Deutsch sprach (und auch mit einem etwas altbackenen Deutschland-T-Shirt im Hostel rumlief – Grüße an dieser Stelle ;-)), das Hostel und begaben uns zur Metro. Wir hatten uns bezüglich der Metro keine Gedanken wegen Betriebsbeginn gemacht, auch Sascha meinte, es würden erste Züge ab 5 Uhr fahren. Tatsächlich steht, wie ich dann mal am letzten Tag der Reise auf einem Plakat der Metro entdeckte, der Betriebsbeginn bei 6 Uhr! Das hätte also auch eng werden können, denn unser Sapsan hatte Abfahrt gegen 6.40 Uhr am, ich meine, Kurskaya-Bahnhof. So leer hatten wir die Metro dann auch noch nie gesehen:


Nach Saschas Hinweis haben wir uns diesmal das Umtauschen der Onlinetickets in „richtige“ Tickets gespart, was zwar so auch auf den Onlinetickets stand, aber ich baute da eher mal auf die Erfahrung der Vorgängerreisen. Es gab dann jedoch keine Probleme mehr. Neben der üblichen Kontrolle des Gepäcks am Bahnhofseingang gab es nochmals eine extra Gepäckkontrolle vor dem Sapsan-Bahnsteig. Das Innere unterscheidet sich an sich ja nicht groß vom ICE 3, Gepäckablagen gibt es an den Wagenenden und in Wagenmitte, die Sitze sind etwas andere und man hat ein bisschen mehr Platz in der Breite dank des russischen Lichtraumprofils. Nach der Abfahrt gab es äußerst langatmige Ansagen auf Russisch und Englisch mit viel Willkommens-Bla-Bla und über alle Angebote an Bord. Das zog sich etwa über sieben bis acht Minuten!
Fenster gab es natürlich keine zu öffnen, weshalb das Fotografieren des schönen Sonnenaufgangs nur durch die geschlossene Scheibe möglich war.



Unterwegs passierten wir auch eine Talgo-Garnitur mit einer EP2K o.ä. auf vermutlich Testfahrt, die inzwischen anstatt der Sapsans hier fahren sollte, nachdem die Verbindung nach Kiew ja nicht mehr sooo wichtig ist ;-) Des Weiteren gab es auf einem Gleisbauhof unterwegs auch noch einen Weichentransportwagen russischer Bauart zu sehen, wovon ich leider kein Foto machen konnte.

Wie schon gesagt kein allzu großer Unterschied zum ICE 3. Die Stimmung im Zug war sehr ruhig, es holten noch einige Reisende den fehlenden Schlaf nach.

„Bedeutendster“ Unterschied zum ICE 3 dürfte der Souvenirshop im Nachbarwagen sein. Eine entsprechende Broschüre gab es an jedem Platz. Ich wäre ja beim Teeglas mit Sapsansilhouette anstatt RZD-Logo fast schon schwach geworden ;-)
Zwei Zwischenhalte gab es unterwegs, in deren Ansage wurde besonders betont, dass der Zug nur 3 bzw. 2 Minuten halte. Für den durchschnittlichen russischen Fahrgast ist das in größeren Bahnhöfen wohl eher ungewöhnlich, solch kurze Halte legt man sonst nur auf „Dorfbahnhöfen“ ein. Spitzentempo auf dieser Strecke ist übrigens 160 km/h, weshalb der Wegfall des Sapsans keine Fahrzeitverlängerung bedeutet. Der Oberbau war größtenteils gelascht, aber top in Schuss. Die Preise des Kaffees an Bord lagen übrigens bei 120-150 Rubel und war gut trinkbar. Weniger schmackhaft war das Lachs-Sandwich zu 180 Rubel, da fehlte eine Soße und das Brötchen war deshalb etwas trocken.

Ankunft in Nischni Nowgorod, schön bei Sonnenschein.

Hier sind Eisenbahnreisen noch romantisch :-)

Im Vergleich zur Elektritschka der Baureihe ED9M wirkt der Sapsan der Baureihe EVS2 doch zierlich.

Die Empfangshalle atmet noch den Geist der Sowjetära, nur wenig gestört durch den futuristischen Extra-Schalter für den Sapsan. Es dauerte ein paar Minuten, bis wir endlich die Gepäckaufbewahrung gefunden hatten und somit mit leichterem Gepäck den Stadtrundgang beginnen konnten.

Auf der anderen Straßenseite befand sich der Busbahnhof, denn am passendsten sollte die Linie 61 sein, andere wären aber auch gegangen.

Die Linie 34 wäre glaub auch gegangen, war uns dann aber doch etwas zu heftig.
Die Kanavinski-Brücke führte uns über den Wolgazufluss Ora ins Sowjet-Viertel, in dem sich auch der örtliche Kreml befindet. Unser Bus hatte die Rampe zum Kremlvorplatz hoch schon ordentlich zu kämpfen und befand sich an der Leistungsgrenze. Da war er aber nicht der einzige.

Obus vor dem Kremltor.
Wir begaben uns nun dort hinein:



Ein „Gruß“ aus der Heimat ;-)




Hinter der Kathedrale des Erzengels Michael, in der gerade eine Hochzeit stattfand, befindet sich das hiesige Ewige Feuer, bewacht von jungen Soldaten oder wie man diesen Einstiegsgrad in der Armee auch immer nennen mag. (Ich war ja einer der letzten Zivis, ich muss mich da nicht auskennen ;-))


Die Mündung der Ora in die Wolga. Im Hintergrund ist im Dunst die Eisenbahnbrücke zu erkennen.

Wachwechsel. Älter als 18 sah von denen keiner aus…




Die Straßenbahn quietscht unten um die Kurve. Kurz vor dieser Stelle wird die Strecke eingleisig, weshalb sich die Bahn schon auf dem linken Gleis befindet.

Wir hatten den Kreml wieder verlassen und begaben uns wieder gen Fußgängerzone. Dabei konnte nochmal die Straßenbahn abgepasst werden, die sich nun wieder von der Wolga an den Berg emporkämpfte.

Die vorhin angesprochene Straße.


Wir schlenderten nun die einzige Fußgängerzone der Stadt entlang.

Unterbrochen wird die Fußgängerzone von einer dichtbefahrenen zweistreifigen Straße, durch die sich auch die Straßenbahnlinien 1 und 2 quälen und wenig später trennen.

Glück muss man da schon mit einer größeren Lücke direkt an der Haltestelle haben.

Das städtische Opernhaus liegt auch hier.

Mittagessen gab´s wieder bei Hesburger – und eine witzige Toilettenwandgestaltung :-D
Nach dem Essen nahmen wir die Straßenbahnlinie 2, um zur Wolga-Seilbahn zu gelangen.

Auch eine Line 62 gibt es Nischni Nowgorod ;-) Rege Bautätigkeit genauso und der Dacia Sandero wird als Renault Sandero verkauft.

Wie es wohl innen aussieht? Immerhin die neuen Fenster sind gerade.

Die 2012 eröffnete Seilbahn ist die erste und wohl bisher einzige im ÖPNV in Russland und führt auf die gegenüberliegende Wolgaseite zur Stadt Bor, in der viele Arbeiter wohnen, die in den Industriebetrieben Nischni Nowgorods arbeiten. Die höchstens Stützen sind rund 82 m hoch, das größte Spannfeld 900 m lang zwischen diesen beiden höchstens Stützen und ermöglicht damit der Schifffahrt auch bei Hochwasser noch eine Durchfahrtshöhe von etwa 20 m. Gebaut wurde sie, weil die Bahn- und Straßenanbindung deutliche Umwege erfordert. Im Wikipedia-Artikel gibt es ein Bild, wie die Anfahrt auf die Station Bor bei Hochwasser aussieht, bei uns führte die Wolga weniger Wasser.


Schwimmende Ferienhäuser scheinen nur noch bedingt ein attraktives Geschäftsmodell zu sein ;-)



Als einziger hab ich mich mal noch nach unten begeben und die Station dokumentiert.

An den massiven Fundamenten ist erkennbar, dass es hier durchaus auch mal mehr Wasser gibt.
Bei meiner Rückkehr waren die anderen am Diskutieren, mit der Elektritschka zurückzufahren. Nun ja, nette Idee, aber uns stand keine Online-Reiseauskunft zur Verfügung und die Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges wurde langsam knapper. Die Seilbahn fährt quasi im Minutentakt, die Marschrutkalinien auch häufiger, eine Elektritschka im Idealfall nur einmal die Stunde und die hat man dann natürlich gleich mal verpasst. Also zurück über die Wolga. Die einfache Fahrt kostet übrigens 80 Rubel.

Was hier nach regem Schiffsverkehr aussieht, sind in Wahrheit zahlreiche vor Anker liegende Schiffe.


In Sichtweite der Seilbahn befindet sich das Höhlenkloster, das sicherlich auch einen Besuch Wert wäre.

In einem vollen Bus ging es zurück zum Bahnhof. Da nicht alle beim Fahrer zum Bezahlen vorbeikonnten, wurde das Geld durchgereicht – und genauso das Rückgeld. Funktionierte prima :-)
Zurück am Bahnhof war noch genügend Zeit, um einen Supermarkt aufzusuchen, da wir uns ja noch für die bevorstehende Nachtzugfahrt ausrüsten mussten. Hier konnten wir mit der nächsten europäischen Kette in Russland Bekanntschaft machen: Einem Spar. Vor dem Supermarkt gab es das nächste Bild für die kleine Serie in der Serie, die deutschen Reisebusse in Russland. Dieser hier kann seine Herkunft auch nicht verbergen, auch wenn an sich wohl um ein Entfernen der Anschrift bemühte:

Fernbus nach Kasan.

Der Bahnhofsvorplatz in voller „Pracht“. Links vom Empfangsgebäude gibt es auch noch ein Schmalspurdenkmal mit einer T-Tsch-Diesellok und einem Personenwagen.
Unser Wagen wurde dem aus m.W. St. Petersburg kommenden Zug noch am Zugschluss angesetzt und stand damit außerhalb des Hochbahnsteigs bzw. natürlich die Tür, zu der wir einsteigen mussten. Die Schaffnerin war etwas aufgebracht aufgrund der Verständigungsprobleme, da mal wieder bei einer Fahrkarte das Bettzeugs fehlte. Irgendwie klärte sich das aber doch noch auf, eine Mitreisende bot sich auch noch als Dolmetscherin an, aber das war nicht mehr unbedingt nötig.

Ich auf meinem Gangplatz hatte einen russischen Nachbarn namens Sergej, bei dessen Telefonat ich raushörte, dass er im Abteil mit Deutschen wäre. Ich versuchte mich in etwas Smalltalk auf Russisch und herauszufinden, woher er jetzt wusste, dass wir ausgerechnet Deutsche sind. Irgendwie wusste er das halt, so meine Erinnerung. Später haben wir uns noch gegenseitig ein bisschen Rum und Schokolade geteilt, auch wenn kein großes Gespräch in Gang kam.

In zunächst flotter Fahrt ging es in den Abend.


In Arsamas war der erste längere Zwischenhalt, bevor es dann dunkel wird. Die Gorki-Eisenbahn arbeitet seit 1862, so dieses Plakat.

Wir befinden uns in Arzamas-1, also muss es wohl noch mindestens einen zweiten geben. Bezeichnungen wie Nord, Süd etc. scheinen eher ungebräuchlich.
Hier gab es auch wieder einige Babuschkas, die uns nochmal einige Speisen aufdrängen wollten und das teils geschafft haben. Drei geräucherte Fische waren mir zwar eigentlich etwas viel, aber zu fünft haben wir die dann doch wegbekommen, Äpfel sind auch gut. Mit dem Lokwechsel auf eine Tsch-S4 gab es Probleme, ständig wurde auf- und wieder abgerüstet bis es schließlich mit 23 Minuten Verspätung weiterging.

Der Chronist gut umsorgt auf seinem Platz (und noch gut gebräunt aus Tschechien) ;-)
So ging es dann, abgesehen von einem kleinen Zwischenfall, bei dem sich durch den Zug gehende Polizei o.ä. an meiner herumstehenden Bierflasche störte, in die Nacht. Als die Flasche nicht mehr offensichtlich herumstand, war wieder alles in Ordnung. So läuft das also - keine öffentliche Propaganda, kennt man ja aus anderen Bereichen ;-)
Na swidanie,
Hannes